FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 3/2022
Beides sollte man keineswegs vernachlässi- gen. Aber weder die fundamentale Seite wie die Entwicklung der Unternehmensge- winne und der Kurs-Gewinn-Verhältnisse noch die Sentiment-Indikatoren auf der markttechnischen Seite sind es, die mich aktuell beunruhigen. Es ist vielmehr die Zinspolitik, die nach meiner Erwartung auf kurze Sicht noch einmal für Kursrück- gänge an der Börse sorgen wird. Sie bleiben also an der Seitenlinie? Vorerst halten wir uns mit neuen Engage- ments noch zurück.Wir haben uns zudem schon im Verlauf des Jahres früh genug aus manchen Branchen und Einzelwerten zurückgezogen. Und nicht ohne Grund halten wir derzeit rund ein Drittel des Fonds in Anleihen und einer vergleichswei- se hohen Kasseposition. Denn ich glaube, dass wir an den Aktienbörsen zum Teil noch deutlich tiefere Notierungen sehen werden.Die Zeit echter Kaufkurse ist noch nicht gekommen. Die werden wir erst im Verlauf des kommenden Jahres erleben. Was machen Sie denn im Fall eines Börsengangs der Porsche AG? Wir beobachten das genau. Hierbei han- delt es sich um eine Art Sondersituation. Unter anderem sieht die Gewinnentwick- lung immer noch gut aus.Deshalb werden nicht nur deutsche Institutionelle, sondern auch Großanleger aus dem Ausland auf der Käuferseite stehen.Wir sind auch beim Mutterkonzern VW investiert, dem durch den Börsengang der Tochter ordentlich Geld in die Kasse gespült würde. Ansons- ten halten wir uns im Automobilsektor aber zurück. Wo bleiben Sie investiert? Ein Großteil unserer Aktienpositionen liegt in Werten aus Branchen wie Telekommu- nikation, Versorgern und aus demGesund- heitswesen. Daran können Sie erkennen, dass wir sehr stark auf defensive und wert- haltige Papiere setzen. Das hat sich be- währt, weil insbesondere Wachstumstitel in einer Situation steigender Zinsen unter Druck geraten sind. Und auf der Anleihenseite? Wir haben imWesentlichen amerikanische Bonds zugekauft. Zum einen befinden sich die Zinsen dort seit Langem auf einemwe- sentlich höheren Niveau als in Europa. Zum anderen hat sich der US-Dollar ge- genüber dem Euro sehr stark entwickelt, das Währungspaar befindet sich inzwi- schen auf Paritätsniveau. Bei länger laufen- den Papieren versuchen wir natürlich Kurs- rückgänge aufgrund von steigenden Zin- sen durch entsprechende Termingeschäfte abzusichern. Von europäischen Staatsanlei- hen lassen wir derzeit die Finger. Wir sind allerdings in einigen Unternehmensanlei- hen des alten Kontinents investiert, die zum Teil bereits wieder eine durchaus attraktive Verzinsung bieten. Wie sieht Ihr Blick nach vorn aus? Meines Wissens befinden sich derzeit über 40 Notenbanken weltweit auf einem Zins- steigerungskurs. Solange sich daran nicht wesentlich etwas ändert, lässt mich das we- nig zuversichtlich in die Zukunft blicken. Meine Hoffnung wäre, dass die Inflation in den USA – eventuell unterstützt durch wie- der rückläufige Energiepreise – am Ende doch schneller zurückgeht, als das derzeit noch von den meisten Marktteilnehmern erwartet wird. In den Herbst- und Winter- monaten werden wir aber wahrscheinlich zunächst noch eine weitere Eintrübung bei den Wirtschaftsdaten und damit einher- gehend auch sinkende Börsenkurse sehen. Bleibt als Trost allenfalls, dass die Noten- bank in der Vergangenheit auf beides noch stärker reagiert hat als auf die Inflation. Vielen Dank für das Gespräch. HANS HEUSER FP » Ich glaube, dass wir an den Aktienbörsen zum Teil noch deutlich tiefere Notierungen sehen werden. « Jens Ehrhardt, DJE Kapital FOTO: © STEFAN GREGOROWIUS 126 fondsprofessionell.de 3/2022 MARKT & STRATEGIE Jens Ehrhardt | DJE Kapital
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