FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 3/2022
Vorsicht, Erfolgsmanager! Zu optimistisch, zu selbstbewusst und vom Erfolg geblendet: Ein Professor der Wirtschaftsuniversität Wien erforscht, wie Manager durch psychologische Fehler Anlegergeld vernichten. W ahrscheinlich ist es Ihnen schon aufgefallen: Der Großteil der Mit- menschen ist unfähig. Eine etwas harte Formulierung. Aber wissenschaftliche Un- tersuchungen liefern seit Jahrzehnten eben genau dieses Ergebnis – zumindest wenn man die Befragten ernst nimmt. Schon in den 1970er-Jahren zeigte eine Umfrage unter amerikanischen College- Lehrern: Fast jeder (nämlich über 90 Pro- zent) glaubt, mehr zu leisten als die allge- meine Kollegenschaft. Seitdem bringen Studien immer wieder Ähnliches hervor: Zum Beispiel halten sich in diversen Län- dern oft um die 80 oder 90 Prozent der Befragten für überdurchschnittlich gute Autofahrer. „Solche Untersuchungen hat man auch im Gefängnis gemacht. Es kam heraus, dass sich die meisten Insassen als bessere Menschen einschätzten als der Durchschnitt der Bevölkerung – was nicht plausibel ist, sonst wären sie nicht im Gefängnis“, sagt Manfred Frühwirth, Profes- sor an der Wirtschaftsuniversität Wien. Für ihn ist dieses überschwappende Selbstbe- wusstsein (Fachterminus „Overconfidence“) mehr als eine amüsante Facette aus dem Repertoire der menschlichen Eitelkeiten. Frühwirth ist Spezialist in der Behavioral Finance, der verhaltensorientierten Finanz- wirtschaft; sein Fachgebiet hinterfragt, wie psychologische Fehlleistungen Finanzent- scheidungen beeinflussen. Aus Frühwirths Sicht sollten vor allem Anleger, Aufsichts- räte und Regulatoren die Gefahren der Overconfidence besser kennen. Zwar zeigen die eingangs genannten Studien, dass eine Portion Selbstüberschät- zung zutiefst menschlich ist: Wir glauben alle dann und wann, mehr zu können, zu leisten oder zu wissen, als es de facto der Fall ist. Dieser „Ego-Trick“ kann hilfreich sein, wenn es darum geht, im kompetitiven Alltag den Selbstwert hoch zu halten. Es gibt jedoch Schattenseiten, die bisher wenig berücksichtigt wurden. Unternehmenswert vernichtet Verhaltensökonomen wie Frühwirth ge- hen davon aus, dass durch Overconfidence im Management von Unternehmen mehr Shareholder Value vernichtet wird, als den betroffenen Investoren bewusst ist. Für das globale Ausmaß des Problems gibt es keine Gesamtzahl, dafür aber Spartenschätzun- gen – etwa im Bereich der Unternehmens- fusionen. So hat ein Autorenteam aus den USA im Jahr 2008 anhand einer Stichpro- be von 400 großen US-Firmen ermittelt, dass Aktionäre von akquirierenden Unter- nehmen zwischen 1980 und 1994 einen Vermögensschaden von ungefähr 4,4 Mil- liarden Dollar erlitten. Allein fast die Hälfte des Verlustes, nämlich 2,15 Milliarden Dol- lar, gehe laut der Untersuchung auf das Konto übermäßiger Managerzuversicht, so Frühwirth. Ganz generell würden Füh- rungsetagen mit hoher Selbstüberschät- » Die meisten Gefängnis- insassen sahen sich als bessere Menschen als der Durchschnitt. « Manfred Frühwirth, WU Wien Die Behavioral Finance erforschte lang nur die Fehler von Anlegern. Mittlerweile weiß man: Unter- nehmenslenker begehen dieselben Irrtümer. Sie setzen dadurch viel Shareholder Value in den Sand. VERTRIEB & PRAXIS Behavioral Finance 320 fondsprofessionell.de 3/2022 FOTO: © TASHATUVANGO | STOCK.ADOBE.COM
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