FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 3/2022
zung sehr stark zu Fusionen neigen. Die Wahrscheinlichkeit eines Mergers sei um 65 Prozent höher, wenn der Chef over- confident ist, so Frühwirth: „Diese Ent- scheidungsträger sind sehr von sich über- zeugt. Häufig glauben sie, sie können das andere Unternehmen besser führen als der ‚schlechte‘ Manager, der momentan dort sitzt.“Mit der Realität kann dieser Glaube natürlich nicht mithalten: In Wirklichkeit scheitern laut einer Analyse der Goethe- Universität Frankfurt rund zwei Drittel al- ler Übernahmen und Zusammenschlüsse. Die Literatur sei ziemlich eindeutig, sagt auch Frühwirth. Wenn Manager übermä- ßig von sich selbst überzeugt sind, fusio- nieren sie nicht nur häufiger. Sie handeln auch höhere Volumina oder traden etwa im Fondsbereich öfter, weil sie sich mehr als andere zutrauen, seriell den Markt zu schlagen; sie verursachen dabei aber per- formanceschmälernde Handelskosten.Und sie bescheren den Geldgebern am Ende signifikant höhere Verluste als ihre „durch- schnittlich selbstbewussten“Kollegen. So erkennt man Overconfidence Fragt sich, wie Anleger ein übertrieben zuversichtliches und damit renditegefähr- dendes Management identifizieren kön- nen. Eine Methode ist: aufmerksam zuhö- ren, wenn der Vorstandschef auf der Hauptversammlung zu Jubeldarstellungen ansetzt. Genau das tat eine der zahlreichen Studien, über die Frühwirth im Gespräch mit der Redaktion berichtet: Die Wissen- schaftler durchforsteten die Medienbericht- erstattung über Manager gezielt nach sehr positiven und – umgekehrt – sehr zurück- haltenden Codewörtern. Es zeigte sich: Ent- scheider, die häufig mit Ausdrücken wie „optimistisch“ in Verbindung gebracht wur- den, hatten im gewählten Zeitraum mehr Wert vernichtet als die Gruppe, in deren Umfeld eher verhaltene Formulierungen wie „bescheiden“ vorkamen. In einer weiteren Analyse sahen sich die Wissenschaftler statt der Wortwahl an, wie das Management mit Aktienoptionen um- geht. Die Annahme ist folgende: Wer seine Optionen länger hält, ist eher overconfi- dent. Ein CEO, der seine Optionen nicht ausübt, nimmt offenbar an, dass sein Unter- nehmen den besseren Manager hat und dass der Aktienkurs daher weiter steigt. Sonst müsste er das Geld ja sofort nehmen und streuen, um sein Einkommensrisiko vom Unternehmen weg zu diversifizieren. Ökonomisch rational wäre zum Beispiel, das Geld in einen breiten Index zu inves- tieren und es somit auf das Geschick vieler Manager zu verteilen. Geschieht das nicht oder kauft jemand sogar noch eigene Ak- tien zu, geht diese Person ein übermäßiges Risiko ein. „Auch da hat man gesehen, dass die Overconfidenten, die ihre Stock Op- tions lang behalten, mehr Wert vernichten als die Rationalen“, so Frühwirth. Das oft verwendete Argument, wonach Aktienzu- käufe des Managements als vertrauens- bildendes Signal an den Markt gesehen werden könnten, weist Frühwirth zurück. Zum einen zeige die Forschung ja genau das Gegenteil: Die Entwicklung ist schlech- ter, wenn Optionen nicht ausgeübt oder Aktien zugekauft werden. Und auch sonst dürfe man alarmiert sein. „Man kann das auch so framen: Ich als Aktionär bin nicht so begeistert, wenn der Vorstand meines Unternehmens ein hohes Risiko im eige- nen Unternehmen hat, weil er damit beweist, dass er das Prinzip des Diversifi- zierens nicht versteht“, so Frühwirth. Tabubruch in der Wissenschaft Zu Irrtümern wie diesen hat Frühwirth soeben zwei ineinandergreifende wissen- schaftliche Bücher veröffentlicht. Sie zählen zu den ersten im deutschsprachigen Raum, die sich mit Behavioral Corporate Finance (BCF) beschäftigen, also mit der verhaltens- orientierten Unternehmensfinanzierung. Diese Disziplin untersucht, wie sich Anle- ger- und Managerfehler auf betriebliche Finanzentscheidungen auswirken.Die BCF ergänzt die herkömmliche Verhaltensöko- nomie um einen wichtigen Aspekt: Nach- dem die klassische Behavioral Finance jahr- zehntelang erklärt hat, was Anleger beim Investieren alles falsch machen, sagt die BCF: Im Management der Unternehmen geht es nicht anders zu: Emotionale Ent- scheidungen, Selbstüberschätzung,Überfor- derung mit Informationsüberfluss – solche Schwächen kommen „in den besten Krei- sen“ genauso vor. Diese Erkenntnis ist ge- wissermaßen ein Tabubruch, denn früher gingen Wirtschaftswissenschaftler davon aus, dass Führungskräfte als ökonomisch gebildetes, rational denkendes Fachpersonal » Die Overconfidenten, die ihre Stock Options lang behalten, vernichten mehr Wert als die Rationalen. « Manfred Frühwirth, WU Wien KURZ-VITA: Manfred Frühwirth Manfred Frühwirth ist Professor an der Wirtschaftsuniversi- tät Wien (WU Wien), Department of Finance, Accounting and Statistics, Institute for Finance, Banking and Insurance. Früh- wirth kam als Gastprofessor an der Harvard University ver- stärkt mit Behavioral Finance in Berührung. Er unterrichtete an mehreren Institutionen, etwa an der Harvard University und an der ETH Zürich. Auf seinem Youtube-Kanal erklärt er Phänomene der Behavioral (Corporate) Finance. fondsprofessionell.de 3/2022 321 FOTO: © ERNST KAINERSTORFER
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