FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 3/2022
über solche Fehlleistungen erhaben sind. Das Gegenteil ist der Fall. „Es sind überall dieselben Fehler, die der Mensch macht. Wir haben ja nur ein Hirn – und nicht ein Konsumenten- und ein Managerhirn“, so Frühwirth. In vielen Fällen gehe man sogar davon aus, dass Führungskräfte stärker betroffen sind. Das gilt etwa für den beschriebenen Hang zur Selbstüberschätzung. „Der Mensch ist generell eher overconfident. Aber bei Managern ist das Problem beson- ders ausgeprägt“, sagt Frühwirth. Dafür gibt es verschiedene Gründe. Auf der Hand liegt ein gewisser Selektionsfaktor: Den Job bekommt sehr wahrscheinlich der Kandi- dat mit dem selbstsichersten Auftreten. Overconfidence und Gaskrise Dazu kommt jedoch auch ein gewisser Lernfaktor: Wegen der sogenannten „selbst- wertdienlichen Ursachenzuschreibung“ (Erfolge liegen an meinen Fähigkeiten; für alles Schlechte sind äußere Umstände verantwortlich) entsteht im Lauf der Zeit eine gelernte Overconfidence. „Je älter wir werden, desto begeisterter werden wir von uns“, fasst Frühwirth das Phänomen zusammen. Anstatt eine realistischere Selbsteinschätzung zu be- kommen, wird es mit der Selbst- überschätzung im Laufe der Zeit immer schlimmer. Das beschreibe die Literatur wiederum bei den Fusionen sehr gut: „Je mehr Fusio- nen ein Manager macht, desto über- zeugter wird er von sich selbst. Der Übermut steigt. Und auch die Bereit- schaft, jedes Mal noch mehr zu zah- len, nimmt zu“, so Frühwirth.Dadurch enden jedoch viele Projekte in der Wertvernichtung. Und noch ein Faktor sorgt dafür, dass Führungskräfte besonders expo- niert sind. Da Managemententschei- dungen oft langfristige Positionierun- gen sind, kann eine Ewigkeit vergehen, bis sich ein Schritt als Fehler erweist. Man hat also lange Zeit, seine Selbstbestä- tigung voranzutreiben, bevor man eines Besseren belehrt wird. „Ein extremes Bei- spiel ist die schlechte Diversifizierung, die wir in Ländern wie Österreich jetzt bei den Gaslieferungen haben.Wenn man overcon- fident ist, sieht man Risiken nicht und di- versifiziert nicht.Man sagt, ich kaufe lieber alles beim Günstigsten, anstatt es aufzutei- len. Genau das ist passiert. Das ist einfach eine riskantere Strategie“, so Frühwirth. Selektion plus Lernfaktor führen in Kombination dazu, dass mitunter ausge- rechnet erfahrene Manager anfälliger für Overconfidence sind. „Ein Professor der Be- havioral Finance hat bei einem Vortrag ein- mal gesagt: Hüten Sie sich vor Vermögens- verwaltern, die in der Vergangenheit erfolg- reich waren. Das können Sie auf die Unter- nehmenslenker umlegen. Hüten sie sich vor erfolgreichen Managern. Die sind be- sonders gefährdet“, so Frühwirth. Natürlich wäre es zu banal, jedem guten CEO Overconfidence zu unterstellen. Im- merhin besteht ja die Möglichkeit, dass ein Chef wirklich besser ist als der Rest. Zu er- wähnen ist auch, dass in den traditionellen wirtschaftswissenschaftlichen Sichtweisen der psychologische Einfluss oft ignoriert wird. Da sagt man: Wertvernichtung ent- steht hauptsächlich aufgrund von „Agency- Problemen“ – also durch Manager, die fal- schen Anreizen folgen: Jemand fusioniert etwa, weil er der Chef eines größeren Un- ternehmens sein möchte und dadurch mehr Gehalt oder Macht bekommt. Die Agency-Theorie könne aber nicht alles erklären, so Frühwirth. Es ergebe keinen Sinn, der Öffentlichkeit ein Projekt zu prä- sentieren, von dem man schon weiß, dass man später das Scheitern eingestehen muss. Da liegt der Schluss nahe, dass dahinter eher ein überschätzter Glau- ben an die eigenen Fähigkeiten steht. Finanzberater sind die Besten Die Selbstüberschätzung oder der „Besser als der Durchschnitt“-Effekt wurde übrigens auch bei Anlagebera- tern nachgewiesen. In seinem Buch zitiert Frühwirth eine Untersuchung unter finnischen Vermögensberatern, die imDurchschnitt meinen, dass nur 30 Prozent der Kollegen besser sind als sie selbst. Zu einem ähnlichen Ergebnis kam Frühwirth vor Jahren bei einer Umfrage auf einer Tagung österreichischer Finanzexperten. Im Durchschnitt glaubten die Umfrage- teilnehmer, dass nur 27 Prozent der Kollegen ein besseres Finanzwissen hätten als sie selbst. EDITH HUMENBERGER-LACKNER FP » Hüten Sie sich vor erfolgreichen Managern. Die sind besonders gefährdet. « Manfred Frühwirth, WU Wien Buchtipp „Behavioral Corporate Finance“ (BCF) Manfred Frühwirth deckt in seinen zwei Büchern verhängnis- volle psychologische Aspekte hinter Unter- nehmens- und Investi- tionsentscheidungen auf. Einige Finanzdebakel der vergangenen Jahre wie die Dotcom- und Immo- bilienblase oder die globale Finanzkrise ab 2007 wer- den dabei in ein neues Licht gerückt. Die zwei Bände schlagen eine Brücke zwischen traditioneller Behavioral Finance und der neueren „Behavioral Corporate Finance“ (BCF), die psychologische Fehlleistungen bei der betrieb- lichen Finanzierung anspricht. Die Werke richten sich an Unternehmenslenker und Aufsichtsorgane genauso wie an Investoren. Während die BCF im englischsprachigen Raum bereits Beachtung findet, gibt es bisher kaum deutschsprachige wissenschaftliche Literatur dazu. VERTRIEB & PRAXIS Behavioral Finance 322 fondsprofessionell.de 3/2022 FOTO: © BANK VERLAG (2)
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