FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 3/2022

Commerzbank. So „wachse“ der Kunde sozusagen mit der Zeit mit, wenn die Pro- dukte höhere Quoten vorsehen. „Zudem entsteht kein Branchen-Bias“, sagt er. Anhäuser gibt ein Beispiel: „Die BMW- Aktie etwa weist eine Taxonomiequote von 11,2 Prozent auf, die Aktie des Windkraft- anlagenherstellers Vestas eine Quote von 100 Prozent“, erklärt er. „Trotzdem befindet sich das BMW-Papier in der Vergleichs- gruppe Automobil aber im oberen Drittel“, so Anhäuser. „In unserem Beratungstool sehen Kunden sowohl, in welchem Drittel sich ein Finanzprodukt befindet, als auch die absolute Quote“, erklärt Anhäuser. So bekämen Anleger eine Vorstellung davon, was eine Mindestquote wirklich aussagt. Infoblätter und Erklärvideos Mit umständlichen Erläuterungen von Begriffen und Verordnungen müssen sich Anlageberater bei der Commerzbank nicht abmühen.Die Bank hat kurze Erklärvideos oder Informationsblätter entwickelt, die unterstützend eingesetzt werden können. Die Videos können auch schon vor dem Beratungstermin bereitgestellt werden. In den Erklärmaterialien wird dargelegt, welche Nachhaltigkeitsstandards es gibt und was sie bedeuten. „All das jedem Kun- den in eigenen Worten zu erklären, würde viel zu lange dauern“, sagt Dirk Jungheim, der als Senior-Anlagemanager im Wealth Management einer Commerzbank-Filiale in Frankfurt tätig ist. Sind alle Kriterien festgelegt, können die Berater bei Sparkassen, genossenschaftli- chen Instituten und der Commerzbank im Optimalfall aus Listen mit Finanzproduk- ten wählen, die dem Risikoprofil, dem Anlageziel und -horizont sowie den ESG- Wünschen eines Kunden entsprechen. Doch das klappt längst nicht immer, denn bislang gibt es nicht für jede ESG-Präferenz das passende Produkt – schon gar nicht in Kombination mit jedem Risikoprofil. Wenn es kein Produkt gibt Findet sich kein geeignetes Produkt, kann der Berater einen Schritt zurückgehen. „Er kann den Anleger fragen, ob er seine Präfe- renz eventuell ändern oder vorerst sogar auf die Berücksichtigung von Nachhal- tigkeitsaspekten verzichten möchte“, sagt Union-Investment-Expertin Bauermeister. Bei anderen Instituten ist es ebenso. Ver- zichtet der Kunde, darf der Beratungspro- zess durchaus fortgesetzt werden. „Voraus- setzung ist natürlich, dass der Berater dem Kunden transparent erklärt hat, dass im weiteren Prozess ESG keine Rolle mehr spielen wird“, erläutert Bauermeister. » Wir haben uns bemüht, die ganze Sache so verständlich wie möglich darzulegen. « Anja Bauermeister, Union Investment Was für freie Finanzvermittler gilt Finanzanlagenvermittler mit Erlaubnis nach Para- graf 34f Gewerbeordnung (GewO) und Honorar- Finanzanlageberater mit Erlaubnis nach Paragraf 34h GewO sind bis auf Weiteres nicht dazu ver- pflichtet, die Nachhaltigkeitspräferenzen ihrer Kunden zu erheben. Dies hat das Bundesministe- rium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) dem Branchenverband Votum bestätigt. Mifid-II-Anpassung: Der Grund dafür, dass Bankberater und Vermögensverwalter seit dem 2. August die ESG-Präferenzen ihrer Kunden abfragen müssen, ist bekanntlich eine Anpassung der EU-Finanzmarktrichtlinie Mifid II. Die EU-Ver- ordnung 2021/1253 ergänzt Artikel 54 der Dele- gierten Verordnung 2017/565 um die Abfrage der Nachhaltigkeitspräferenzen. Diese tritt damit neben die zuvor schon geltenden Anforderungen für die Geeignetheitserklärung. Nur für Wertpapierfirmen: „Das BMWK hat erklärt, dass die ergänzte Delegierte Verordnung 2017/565 ausschließlich von Wert- papierfirmen im Rahmen der Geeignetheitsprü- fung berücksichtigt werden muss“, sagt Votum- Vorstand Martin Klein. Sie soll auch keine direkte Anwendung auf 34f-Vermittler finden. Nicht über die FinVermV: „Auch die Finanzanlagenvermittlungsverordnung (Fin- VermV), die auf Artikel 54 der Delegierten Verord- nung 2017/565 verweist, führt laut BMWK nicht zu einer Verpflichtung zur Erfassung der Nach- haltigkeitspräferenzen“, erläutert Jurist Klein. Denn nach Auskunft des Ministeriums handelt es sich um einen „starren Verweis“ auf den Stand der Verordnung mit den Änderungen durch die Verordnung (EU) 2017/2294. Spätere Änderungen seien durch den Verweis also nicht erfasst. Keine dauerhafte Lösung: Artikel 3 Absatz 2 Mifid II schreibt vor, dass Mitglieds- staaten Finanzberatern, die wegen Sonderregeln – „Bereichsausnahme“ genannt – nicht direkt der Richtlinie unterliegen, mit Blick auf den Ver- braucherschutz die gleichenWohlverhaltensregeln auferlegen müssen wie Wertpapierfirmen. Zu den Wohlverhaltensregeln gehört insbesondere eine vollständige Geeignetheitsprüfung. Daher ist es sehr wahrscheinlich, dass der deutsche Gesetz- geber die FinVermV früher oder später noch anpassen wird. BANK & FONDS Nachhaltigkeitspräferenzabfrage 388 fondsprofessionell.de 3/2022 FOTO: © FRITZ PHILIPP | UNION INVESTMENT

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