FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 3/2022

von Produktangeboten eingesetzt werden könne. Hybride Modelle Bei allen Risiken gibt es jedoch auch Vorteile, insbesondere in puncto Schnellig- keit. „Durch die US-Dollar-Stablecoins kann heute schon der US-Dollar weltweit von Punkt zu Punkt transferiert werden – und das in weniger als 20 Sekunden“, sagt Frankfurt-School-Wissenschaftler Sandner. Aktuell entwickelt sich Defi parallel zu, aber getrennt von traditionellen Finanz- dienstleistern. Die Frage nach einer mög- lichen Regulierung erweist sich vielleicht sogar als Chance für die Bankenindustrie. So können etablierte Kreditinstitute die Defi-Plattformen auf bestimmten Gebieten unterstützen. „Es gibt hybride Modelle, in denen Teil- akte, beispielsweise die Verwahrung der Assets, von einem entsprechend regulierten Institut erbracht werden“, sagt Rechtsanwalt Bernau. Gleichzeitig schränkt er ein: „De- centralised Finance steckt aktuell noch in den Kinderschuhen.“Es fehle an Liquidität und Reputation, außerdem mangle es vie- len Kleinanlegern an Informationen. „Hier gibt es klare Chancen für etablierte Finanz- dienstleister.Wenn man allerdings Regulie- rung und zu erwartende Rentabilität in Be- tracht zieht, wird das Ganze komplizierter.“ Der Blockchain-Experte rät den Banken, ihr größtes „Asset“ – das ihnen entgegen- gebrachte Vertrauen – in die dezentrale Welt zu übertragen. MARCUS HIPPLER FP Timo Bernau | GSK Stockmann „Der Markt wird erwachsener “ Rechtsanwalt Timo Bernau, Partner bei der Münchner Kanzlei GSK Stockmann, über das Volumen des „Decentralised Finance“-Marktes sowie Chancen und Risiken der neuen Technik. T imo Bernau studierte Rechtswissenschaften in Gießen und an der Lon- don School of Economics. Seit 2009 arbeitet der pro- movierte Jurist in der Kanz- lei GSK Stockmann. Herr Bernau, wie groß ist der Defi-Markt überhaupt? Timo Bernau: In der Branche wird als maßgeblicher Indika- tor üblicherweise die Kenn- zahl „Total Value Locked“ (TVL) benutzt, was den Gesamtwert aller Krypto-Assets meint, die in Defi-Proto- kollen gesperrt sind. Dem Datenanbieter Defi Llama zufolge durchbrach der TVL erst Anfang 2020 die Grenze von einer Milliarde US-Dollar. 2021 wurde das Hoch bei rund 250 Milliarden US-Dollar erreicht, Ende Juni dieses Jahres waren es nur noch 74 Milliarden US-Dollar. Wie kam es zu diesem Crash? Zuerst sind bedeutende, ver- meintlich wertstabile Kryp- towährungen, sogenannte Stable Coins, de facto ausge- fallen, dann kam es noch zu Liquiditätsproblemen und zu einem Auszahlungsstopp bei einigen Defi-Anbietern. Das hat erheblich Vertrauen gekostet. Dennoch ist eine gewisse Marktbereinigung in der Anfangsphase einer neuen Entwicklung nicht außergewöhnlich. Auf lange Sicht gehe ich aber davon aus, dass der Markt erwachsener wird und sich die mit den technischen Innovationen einher- gehenden Vorteile durchsetzen. So span- nend und rasant viele Entwicklungen in technischer Hinsicht natürlich sind,muss der Markt für die breite Masse vermut- lich etwas „langweiliger“werden. Wo liegen derzeit die wesentlichen Risi- ken für Anleger? Der Defi-Markt unterscheidet sich in einer Hinsicht nicht vom sonstigen Markt: Wo es große Chancen gibt, sind die Risiken nicht weit. Das haben die jüngsten Tur- bulenzen verdeutlicht.Dessen ungeachtet lässt sich nicht leugnen, dass der Markt noch nicht etabliert ist. Es hat sich gezeigt, dass einige Geschäftsmodelle in bestimmten Stress-Szenarien nicht markt- tauglich sind. Hier rächt sich möglicher- weise zu einem gewissen Grad auch die fehlende Regulierung sowie ein nicht ausreichend strenges Liquiditäts- und Risikomanagement. Für die Anleger ver- wirklicht sich ein doppeltes Risiko: Gerät eine Defi-Anwendung in Schwierigkei- ten, kann weder der Staat regulierend ein- greifen noch hat der Anleger die Mög- lichkeit des Zugriffs oder einen direkten Anspruchsgegner. Systeme der Einlagen- sicherung oder Anlegerentschädigung existieren nicht. MARCUS HIPPLER FP Timo Bernau, GSK Stockmann: „Für die breite Masse muss der Markt vermutlich etwas ‚lang- weiliger‘ werden.“ Online weiterlesen: QR-Code scannen oder fponline.de/Defi322 eingeben. BANK & FONDS Decentralised Finance 400 fondsprofessionell.de 3/2022 FOTO: © ROLAND HORN

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