FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 3/2022
Max Biesenbach | Simon-Kucher „Kosten effizienter Weg“ Max Biesenbach, Partner bei der internationalen Strategieberatung Simon-Kucher in Köln, über proaktive Wertpapierberatung, Digitalisierung und „Advice Gaps“. M ax Biesenbach berät für Simon- Kucher Privatbanken,Onlinebroker und Asset Manager zu Angebots-, Pri- cing- und Vertriebsthemen. Zuvor arbei- tete er für Deloitte Consulting in Zürich. Was verstehen Sie unter „proaktiver Beratung“ imWertpapiergeschäft? Max Biesenbach: Proaktive Beratung bedeutet, dass Mensch oder Maschine wiederkehrend die Kundenportfolios auf Einhaltung gewisser Zielvorgaben über- prüfen und sich dann bei Abweichungen eigeninitiativ mit einem Optimierungs- vorschlag beim Kunden melden. Diese proaktive Wertpapierberatung findet in der DACH-Region traditionell eher im Private Banking und Wealth Manage- ment und nur selten im Retailsegment statt. In anderen Ländern ist dieses Pro- blem auch als „Advice Gap“ bekannt: 65 Prozent der beratungsaffinen Retailin- vestoren wünschen sich proaktive Wert- papierberatung, erhalten aber keine. Das liegt am Geschäftsmodell und auch am geringen Digitalisierungsgrad der Bran- che. Persönliche Berater sind kosteninten- siv, daher ist guter Rat traditionell der wohlhabenden Klientel vorbehalten. Können Sie uns Banken nennen, die diese proaktive Beratung anbieten? Die UBS war bei der Digitalisierung des Beratungsprozesses bereits vor knapp zehn Jahren eine der Vorreiterinnen. Sie führte damals eine Analysesoftware für ihre Anlageberatungsmandate ein, die jede Nacht sämtliche Portfolios auf das Vorliegen gewisser Kundenrisiken über- prüft, unter anderem ob sie von der strategischen Asset Allocation abweichen oder ob Klumpenrisiken vorliegen. Ge- prüft wurde auch, ob ein gehaltenes Wertpapier eine Verkaufsempfehlung erhalten hat oder ob die Mindestbonität einer Anleihe unterschritten wurde. Die Software generiert daraufhin passende Vorschläge, um Risiken zu beseitigen. Wie sieht es bei anderen Banken mit Privatkundengeschäft aus? Viele Retail- und Privatbanken verfügen nicht über solch eine Lösung oder haben die einzelnen Prozessschritte nicht ausrei- chend digitalisiert, weswegen sie proakti- ve Beratung nicht in der Breite anbieten – auch aus Scheu vor Schadenersatz- forderungen, wenn man sich zur proakti- ven Beratung verpflichtet hat und dann nicht zu 100 Prozent lieferfähig ist. Die zunehmende Digitalisierung der Branche eröffnet da ganz neue Möglichkeiten, Be- ratung skalierbar auch für die „kleinen“ Privatanleger anzubieten. Die Branche ist im Aufbruch, europaweit kommen viele hybride Lösungen auf den Markt, bei denen große Teile der Beratungsstrecke digitalisiert werden, um beratungsaffinen Kunden einen kosteneffizienten Weg zur Anlageberatung zu bieten. Woran liegt es, dass noch nicht alle Pro- zesse digitalisiert oder in eine digitale Beratungsstrecke integriert sind? Ich versuche das mal anhand der Ein- bindung der Robo-Advisor-Lösungen in Deutschland zu erklären: Robo-Assets machen in Europa nur einen minimalen Teil des gesamten verwalteten Vermögens von Privatanlegern aus, obwohl Robos eigentlich viele Vorteile bieten: einfache Bedienbarkeit, intuitive Oberflächen und die Vermittlung des Gefühls von Indivi- dualisierbarkeit. Der Grund für die feh- lende Marktdurchdringung ist simpel: Die Banken stellen Robo-Advisors als „Stand-alone digital-only“-Produkt neben das bestehende spärlich digitalisierte Angebot. Die deutlich smartere Lösung wäre es, das Wertpapierkerngeschäft in seiner gesamten Breite zu digitalisieren und mit der Funktionalität und der intui- tiven Benutzeroberfläche der Robo-Lö- sung aufzuwerten. MARCUS HIPPLER FP Max Biesenbach, Simon-Kucher: „Die Branche ist im Aufbruch, europaweit kommen viele hybride Lösungen auf den Markt.“ BANK & FONDS Hybride Beratung 408 fondsprofessionell.de 3/2022 FOTO: © STRATEGIEBERATUNG SIMON-KUCHER
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