FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 3/2022
Fit für Senioren Immer mehr Menschen erledigen Finanzgeschäfte online. Einige Ältere können da nicht mitziehen. Banken stehen vor dem Spagat, die Digitalisierung zu meistern, ohne diese Kunden abzuhängen. D ie Deutschen gehen häufiger ins Netz. 70 Prozent der Bundesbürger nutzen digitale Dienste, zeigt eine Umfrage der Unternehmensberatung McKinsey aus dem März. Das sind fünf Prozentpunkte mehr als bei der Befragung im Vorjahr. Ein wichtiger Treiber des Wachstums war das Onlinebanking. Doch was die einen feiern, bereitet anderen Frust. Denn die Institute nutzen das veränderte Verbraucherverhal- ten, um Filialen zu schließen, Geldauto- maten abzumontieren und somit Kosten zu sparen. „Senioren werden zum Online- banking gezwungen.Wer sich damit nicht auskennt, weder Netz noch Laptop besitzt, schaut in die Röhre“, wettert Carolin Favretto, Vorsitzende der Bundesvereini- gung der Senioren-Assistenten. Wichtige Ertragsquelle Wie gehen die Banken mit älteren Kun- den um, die sich in der digitalen Welt nicht so leicht zurechtfinden? „Die Finanz- industrie hat diese Frage noch nicht ausrei- chend durchdrungen“, zieht Oliver Geiseler, Seniorpartner der Beratungsgesellschaft Capco, als ernüchterndes Fazit. „Die Bran- che läuft Gefahr, eine Kundengruppe zu verlieren“, warnt Geiseler. „Denn wenn die Banken im Zuge einer Digitalisierung Kunden vom Angebot abschneiden, ohne Alternativen aufzuzeigen, berauben sie sich einer wichtigen Ertragsquelle.“ Die ältere Generation sei durchaus wohlhabend, betont der Branchenkenner. Wie gelingt den Geldhäusern aber der Spagat zwischen der Digitalisierung einer- seits und der Bedienung onlineferner Kun- den andererseits? Die Antwort hält für beide Seiten unangenehme Aspekte parat. Denn die Senioren kommen über kurz oder lang nicht darum herum, den Schritt ins Netz zu wagen. „Die Bankbranche steht unter einem enormen Kostendruck“, erläu- tert Geiseler. Ausgaben für Mieten, Energie oder Gehälter steigen, demgegenüber klettern die Erträge nicht im gleichen Maße. „Die Digitalisierung eröffnet einen wichtigen Weg, die Kosten zu reduzieren“, betont der Unternehmensberater. Entschlackte Variante Die Banken wiederum werden nicht da- rum herumkommen, Investitionen vorzu- nehmen, um den Senioren den Umgang mit Onlinebanking und Apps zu erleich- tern. „Eine Generallösung in der Online- Ansprache für alle Kundengruppen, wie sie bisher praktiziert wurde, wird dabei nicht funktionieren“, sagt der Capco-Experte. „Die Banken müssen eine Ansprache ent- werfen, die auf die Bedürfnisse der jeweili- gen Kundengruppe abgestimmt ist.“ Eine Möglichkeit wäre, eine entschlackte Varian- te des Onlinebankings für Senioren anzu- bieten. „Manche Kunden wollen auf sämt- liche Funktionen zugreifen, andere nur die Kerninformationen wie die Kontoüber- » Wer weder Netz noch Laptop besitzt, schaut in die Röhre. « Carolin Favretto, Bundesvereinigung der Senioren-Assistenten Nicht alle Senioren beherrschen den Umgang mit Internet und Apps. Diese Gruppe verliert zunehmend den Anschluss an Bankgeschäfte. Den Instituten wiederum droht der Verlust einer zahlungskräftigen Zielgruppe. BANK & FONDS Digitalisierung 410 fondsprofessionell.de 3/2022 FOTO: © CARLO | STOCK.ADOBE.COM
RkJQdWJsaXNoZXIy ODI5NTI=