FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 4/2022

immer noch eine 100-Prozent-Mindestleis- tung als arbeitsrechtliche Zusage schuldet (BZML). „Die konkrete Zusage steht im bAV-Tarifvertrag, sofern für die Branche einer existiert“, sagt Christian Guse, auf bAV spezialisierter Rechtsanwalt aus Hamburg. „Wer die tarifvertraglichen Vorgaben nicht kennt und keinen Zugang dazu hat, tappt als Arbeitgeber und als Berater womöglich in die Haftungsfalle“, warnt Guse. Als einen Ausweg hat der Anwalt eine Datenbank für bAV-Tarifverträge aufgebaut und dazu die App „bAV-Tarifvertragsprofi“ auf den Markt gebracht. Derzeit sind dort über 260 bAV-Tarifverträge aus 60 Branchen gelistet. „Die Mehrzahl enthält keine Bei- tragserhaltsgarantie“, so Guse, in einigen Branchen und Gebieten gebe es sie aber, insbesondere im Einzelhandel. Makler müssen also genauer hinsehen. Tückische Inflation Die Inflation wirkt sich auf die heutigen Betriebsrentner weniger aus als auf die künftigen, hat das Institut der Versiche- rungsmathematischen Sachverständigen für Altersversorgung (IVS) errechnet. „Bei Anwärtern werden die Ansprüche durch die Inflation entwertet“, sagt IVS-Chef Frie- demann Lucius.Hintergrund: Arbeitgeber sind verpflichtet, spätestens alle drei Jahre die Höhe der laufenden Betriebsrenten zu prüfen und nach billigem Ermessen anzu- heben. Anders bei Anwärtern, also den künftigen Betriebsrentnern: Deren Ansprü- che werden real entwertet, weil die Beiträge nicht angepasst werden. Das IVS schlägt daher einen Nachhaltigkeitsmechanismus in der bAV vor – in Anlehnung an den Nachhaltigkeitsfaktor der gesetzlichen Ren- tenversicherung. Damit sollen die begrenz- ten Mittel im Sinne eines Generationen- ausgleichs gerechter verteilt werden. Diese Idee dürfte den Rentnern nicht gefallen. Pensionskassen meiden Auch bei der Kapitalanlage wünschen sich die Pensionsaktuare mehr Gestaltungs- spielraum. „Bislang wird verlangt, dass Ver- sorgungsverpflichtungen zu jeder Sekunde während der oft jahrzehntelangen Laufzeit mit Vermögen bedeckt sind“,erinnert Lucius. Das zwinge zu renditearmer Anlage, meist in festverzinsliche Papiere, und verhindere echte Kapitalmarktpartizipation. Speziell Pensionskassen seien die Hände gebunden. „Unterdeckungen wegen Kapitalmarkt- schwankungen werden zu keinem Zeit- punkt akzeptiert“, sagt Lucius. Eine groß- zügigere Auslegung sei vertretbar, zumal Pensionskassen in der Regel keinen Storno- risiken ausgesetzt sind. „Wir wollen eine Lockerung des regulatorischen Korsetts, damit Pensionskassen mehr Risiken in der Kapitalanlage eingehen und die Kraft der Kapitalmärkte besser für die zugesagten Leistungen nutzen können.“ Solange dieser Nachteil besteht, sind Makler gut beraten, den Durchführungs- weg Pensionskassen zu meiden. Tatsächlich bietet sich für 2023 an, die Entgeltum- wandlung über fondsgebundene Direktver- sicherungen oder Pensionsfonds zu forcie- ren. Zum 1. Januar ändern sich wie regel- mäßig zum Jahreswechsel die Beitrags- bemessungsgrenzen (BBG) in der gesetzli- chen Rentenversicherung. Arbeitnehmer können bundesweit bis zu acht Prozent der jeweils aktuellen BBG (West) steuerfrei und vier Prozent sozialabgabenfrei in eine Direktversicherung, Pensionskasse oder einen Pensionsfonds einzahlen. 2023 steigt der steuerfreie Anteil um 20 auf 584 Euro im Monat und der maximale sozialabga- benfreie Anteil durch Entgeltumwandlung um 10 auf 292 Euro. Dabei gilt: „Je weniger Garantie, desto besser die Aussicht auf Leistung“, erklärt Aktuar Lucius, im Hauptberuf Chef des bAV-Beraters Heubeck. Die Zukunft gehö- re der BoLZ und reinen Beitragszusagen. Knapp fünf Jahre, nachdem der gesetzliche Rahmen für das Sozialpartnermodell (SPM) fixiert worden ist, startet nun die Energiebranche als erste mit einem bran- Frank Tengler-Marx, Geschäftsführer Proconsult: „Beratungs- und Betreuungsleistung müssen bezahlt werden.“ Georg Thurnes, Arbeitsgemeinschaft für betriebli- che Altersversorgung: „Staatsfondsmodelle können der reinen Beitragszusage nicht das Wasser reichen.“ » Wir wollen eine Lockerung des regu- latorischen Korsetts. « Friedemann Lucius, IVS FONDS & VERSICHERUNG Betriebsrente 268 fondsprofessionell.de 4/2022 FOTO: © PROCONSULT, WOLF HEIDER-SAWALL

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