FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 4/2022
Jahre länger leben würden als kalku- liert. In einem anderen Szenario wird eine extrem gestiegene Sterblichkeits- rate simuliert. Versicherer prüfen zu- dem, ob ihre Eigenmittel ausreichen würden, wenn die angenommenen Stornoquoten um 50 Prozent über- schritten oder kalkulierte Kosten- oder Risikoüberschüsse bei Weitem nicht erzielt würden. Und dies sind nur eini- ge Beispiele für Krisenfälle. Risiken diversifizieren Nachdem alle vorgeschriebenen Szenarien simuliert wurden, dürfen Korrelationen zwischen einzelnen Ri- siken ermittelt werden. „So erhöhen sich zum Beispiel Langlebigkeit und Sterblichkeit ja nicht gleichzeitig“, erklärt Romero-Bastil. Daher dürfen diese Risiken diversifiziert werden. Aus der Summe aller Risikoszenarien er- gibt sich nach der Diversifikation die Höhe des Kapitals, das ein Versicherer benötigt, um in einer 200-Jahre-Super- krise allen Verbindlichkeiten gegen- über seinen Kunden nachkommen zu können. Dieser Kapitalbedarf wird als Solvenzkapitalanforderung (englisch: Solvency Capital Requirement, kurz: SCR) bezeichnet. „Wird die SCR dann in Relation zu den errechneten Eigenmitteln gesetzt, ergibt sich die Solvenzquote“, sagt Lars Heermann. Liegt sie bei 100 Prozent, würde der Versicherer eine Megakrise gerade noch überstehen. Übersteigen seine Eigenmittel die SCR, fällt die Quote höher aus – ganz logisch. Ein wenig aufgehübscht Das Problem ist nur, dass Versiche- rer die aufsichtsrechtlich relevanten Quoten, die sie an die Bafin melden, mit ganz legalen Mitteln aufhübschen dürfen. Dafür können sie in unter- schiedliche Make-up-Töpfchen greifen. Es beginnt bei der Wahl des Modells, mit dem die extremen Krisenfälle simuliert werden. Zwar gibt es eine Solvency-II-Standardversion, die Unter- nehmen dürfen aber auch interne Systeme entwickeln oder einen Mix wählen, solange sie sich ihr System von der Bafin genehmigen lassen. Der BdV und Zielke Research er- rechnen daher seit 2017, welche Quo- ten sich ergeben würden, wenn die Versicherer das Solvency-II-Standard- modell verwendet, keine Übergangs- regelungen genutzt und keine Volatili- tätsanpassungen vorgenommen hät- ten. Denn auch diese Erleichterungen führen dazu, dass sich die ausgewiese- ne Kennzahlen deutlich besser darstel- len können, als sie sind. Für Vermittler lohnt sich somit auf jeden Fall ein Blick auf die „nackten“Quoten. Völlig ungeschminkt Bleibt dennoch die Frage, wie aus- sagekräftig eine Solvenzquote ist, selbst wenn sie – wie etwa bei der Stutt- garter Leben – völlig ungeschminkt daherkommt. „Eine Quote von unter 100 Prozent bedeutet auf keinen Fall, dass ein Versicherer insolvent wäre“, sagt Heermann. Die Zahl zeigt nur, dass das Unternehmen einen statis- tisch gesehen einmal in 200 Jahren auftretenden Krisenfall im Moment der Simulation nicht überlebt hätte. Eine sehr hohe SCR-Quote muss hingegen nicht unbedingt ein gutes Zeichen sein. Immerhin kann sie etwa darauf hindeuten, dass ein Versicherer Überschüsse hortet. „Es ist schwierig, eine exakte Prozentzahl für eine ‚gesunde‘Quote anzugeben“, sagt Heer- mann. Vermittler sollten die Kennzah- len daher beim Vergleich von Versi- cherern lediglich als einen von meh- reren Indikatoren für die Finanzkraft heranziehen. Denn Solvenzquoten sind nun einmal kein eindeutiges Sie- gel für Qualität. ANDREA MARTENS FP Mit und ohne Make-up Solvenzquoten der 45 größten Lebensversicherer Ausge- Reine wiesene Solvenz- Solvenz- Unternehmen quote 1 quote 2 Allianz LV 183 415 R+V LV AG 306 1.002 Generali LV 331 411 Debeka LV 107 107 Bayern-Versicherung 316 568 Zurich Deutscher Herold 190 355 Alte Leipziger LV 311 317 Axa LV 164 284 Nürnberger LV 465 558 Cosmos LV 105 187 Württembergische LV 246 409 SV Sparkassenvers. LV 475 1.125 HDI LV 124 697 Volkswohl Bund LV 216 367 Provinzial Nordwest LV 390 568 Gothaer LV 169 339 Swiss Life 391 666 Signal Iduna LV 137 835 WWK LV 241 334 Provinzial Rheinland LV 657 1.014 Targo LV 177 603 Hannoversche LV 551 551 Continentale LV 408 412 Ergo Vorsorge Leben 440 440 LVM LV 639 639 Neue Leben LV 116 807 PB LV AG 33 837 LV 1871 410 641 Huk-Coburg LV 116 424 Hanse Merkur LV 113 283 Deutsche Ärzteversicherung 293 346 VGH LV 326 347 Stuttgarter Leben 251 251 SV Sachsen Leben 310 683 Basler LV 265 353 DEVK Allgemeine LV AG 98 300 Ideal LV 292 507 Europa LV 786 786 VPV LV 322 736 DEVK a.G. 86 347 Die Bayerische LV 239 239 Condor LV 288 934 Dialog LV 699 675 Helvetia LV 203 296 Barmenia LV 313 248 Die größten deutschen Lebensversicherer nach verdienten Bruttobeiträgen 2020 (Quelle: Bafin) und ihre Solvenz- quoten (Quelle: Zielke Research Consult). Unternehmen im Run-off sind nicht berücksichtigt. 1 Solvenzquote ohne Nutzung von Übergangsmaßnahmen | 2 Solvenzquote bei Nutzung von Übergangsmaßnahmen Stand:26.10.2022 FONDS & VERSICHERUNG Solvenzquoten 274 fondsprofessionell.de 4/2022
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