FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 4/2022
tor, um die Bank durch die Jahrhunderte zu tragen, insbesondere in Krisenzeiten“, sagt er. Das gewährleistet auch Unabhän- gigkeit. „Wir sind nicht von fremden Gesellschaftern, von Institutionen oder Interessen abhängig, weder wirtschaftlich noch rechtlich“, so Müller. Dies ermögliche Metzler ein selbstbestimmtes Handeln. Die Enkelperspektive In der Tat zeigt ein Blick auf die Liste der 50 ältesten Unternehmen des Landes, dass es oft gerade familiengeführte Firmen sind, die sich über die Jahrhunderte erfolgreich am Markt behaupten. Tom Rüsen, Profes- sor an der Fakultät für Wirtschaft und Ge- sellschaft der Universität Witten/Herdecke, kennt den wesentlichen Grund dafür. „Bei Familienunternehmen gibt es die Idee der sogenannten ‚Enkelfähigkeit‘“, sagt Rüsen. Das bedeutet, dass Unternehmer die Fir- ma so aufstellen, dass sie besten Gewissens auf die nachfolgende Generation übertra- gen werden kann. „Wenn man als Eigentü- mer oder als Gesellschafter-Geschäftsführer die Enkelperspektive im Kopf hat, dann wird ein Unternehmen anders geführt, als wenn ein externer Manager am Werk ist“, erklärt Rüsen. „Diese Werteorientierung werde bei Mitarbeitern, Kunden und Ge- schäftspartnern oft auch sehr geschätzt.“ Doch nicht in jedem Familienunter- nehmen herrscht das Ziel, die Firma gut zu übergeben, über Generationen hinweg vor. Zuweilen überwiegen auch in Traditions- firmen andere Interessen.Die 1789 gegrün- dete Privatbank Sal. Oppenheim machte sich in den ersten zehn Jahren des neuen Jahrtausends aus Gründen der Gewinn- maximierung zu abhängig von dem Bonner Bauunternehmer und Immobilien- fondsanbieter Joseph Esch. Der große Knall Gemeinsam mit Sal. Oppenheim ent- wickelte Esch mit den sogenannten Oppen- heim-Esch-Fonds ein neues Geschäfts- modell. Dabei ging es darum, milliarden- schwere Immobilienprojekte mit dem Kapital der Fondskunden zu realisieren. Die Einnahmen sollten durch die öffent- liche Hand abgesichert werden. Am Ende folgte der große Knall: Esch landete wegen Steuerhinterziehung und unerlaubter Bankgeschäfte vor Gericht, seine wohlha- benden Geschäftspartner wegen schwerer Untreue. Sal. Oppenheim wurde an die Deutsche Bank verkauft – vorbei war es mit Tradition und Enkelfähigkeit. Dass es für Traditionsunternehmen hin- gegen auch gut laufen kann, wenn sie sich nicht in Familienhand befinden, zeigt das älteste Geldinstitut Deutschlands – die Berenberg Bank, die seit ihrer Gründung von persönlich haftenden Gesellschaftern geführt wird. „Ich würde sagen, wir sind sogar die älteste Bank der Welt, die ein gut funktionierendes Geschäftsmodell hat“, erklärt Klaus Naeve, Co-Head Wealth and Asset Management bei Berenberg. Global betrachtet ist die älteste Bank das Institut Monte dei Paschi, doch die Italiener muss- ten in der Vergangenheit mit Staatshilfen immer wieder einmal vor dem Untergang gerettet werden. „Die Historie ist natürlich ein wichtiger Teil von uns“, sagt Naeve. Auch für junge Leute, die sich bei der Hamburger Bank bewerben, spiele die lange Tradition eine wichtige Rolle. „Wer sich jedoch mit der Vergangenheit von Berenberg beschäftigt, wird feststellen, dass Strategie und Ge- schäftsmodell im Lauf der Jahrhunderte stets an die Anforderungen der Zeit und Tom Rüsen, Universität Witten/Herdecke: „Bei familiengeführten Unternehmen gibt es die Idee der sogennanten ‚Enkelfähigkeit‘.“ Das Wappen der Familie Metzler: Die Aufschrift „Festina lente“ bedeutet „Eile mit Weile“. Dieser Satz ist der Wappenspruch der Familie. Emmerich Müller, Bankhaus Metzler: „Wir sind nicht von fremden Gesellschaftern, von Institutionen oder Interessen abhängig.“ VERTRIEB & PRAXIS Traditionsunternehmen 376 fondsprofessionell.de 4/2022 FOTO: © UNIVERSITÄT WITTEN-HERDECKE, BANKAUS METZLER (2)
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