FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 4/2022
die Bedürfnisse der Kunden angepasst wurden“, sagt Naeve. „Tradition kann eben nur entstehen, wenn man sich stetig wan- delt und nicht verharrt.“ Nicht erst in Zeiten von ESG Dennoch muss es doch Werte geben, die die Zeit überdauert haben. „Man kann sie unter dem Oberbegriff ‚verantwortungs- volles Handeln‘ zusammenfassen“, erklärt Naeve. „Das klingt ein bisschen so, als hät- ten wir diesen Begriff in Zeiten von ESG extra erfunden“, schmunzelt er. In Wirklich- keit habe er für Berenberg aber schon viel länger eine große Bedeutung. „Nur wenn man fair und verantwortungsvoll zusam- menarbeitet, kann man lang angelegte, ver- trauensvolle Beziehungen zu Kunden,Mit- arbeitern, Geschäftspartnern und anderen Stakeholdern aufbauen“, sagt Naeve. „Wir lassen uns nicht von schnellen Erfolgen und Emotionen leiten“, betont er. Das sagt sich so leicht. Wie aber stellt Berenberg sicher, dass diese Werte auch gewahrt werden? „Ich gebe ein Beispiel“, so Naeve. „Als ich meine Aufgabe vor einigen Jahren übernommen habe, sagte mir der zuständige persönlich haftende Gesellschaf- ter: ‚Ich will ein ganz sauberes, faires Geschäft. Ich will nicht, dass Kunden in irgendeiner Art und Weise übervorteilt werden.‘“ Dasselbe gibt Naeve nun weiter. „Wenn sich Mitarbeiter nicht an unser Selbstverständnis halten, sind wir sehr kon- sequent“, erklärt er. Zudem gilt: Wenn einer der drei Partner in der Geschäftsführung sich mit einemDeal nicht wohlfühlt, dann geht die Bank ihn nicht ein. Schließlich sind alle Partner persönlich voll haftend. Die Kombination macht’s Das ist bei der LV 1871 anders. Das Unternehmen, das sein Gründungsjahr bis heute im Namen führt, ist ein Versiche- rungsverein auf Gegenseitigkeit, nicht in Familienhand, kein Geschäftsführer haftet persönlich. Trotzdem spielt Tradition eine wichtige Rolle. „Die LV 1871 ist natürlich sehr modern aufgestellt, aber wir haben auch eine lange, stabile Historie“, sagt Thomas Heindl, Leiter Marketing bei dem Versicherer. „Auf unsere Tradition müssen wir aber gar nicht ständig verweisen, sie schwingt in unseremNamen ohnehin mit“, erklärt er. Das sei ein großer Vorteil. „So können wir die Kombination aus Ver- gangenheit und Moderne spielen, ohne dass wir die Tradition ständig über Gebühr belasten müssen.“ Vorteil gegenüber jungen Firmen Allein mit dem Verweis auf die Tradition sei es natürlich nicht getan. Insurtechs erobern langsam den Markt, junge Kun- den wollen schnell mal eine Versicherungs- police online abschließen. „Aber gerade wenn es um die Altersvorsorge oder die Absicherung der Berufsunfähigkeit geht, ist es wichtig, dass ein Versicherer einen Track Record über viele Jahre vorweisen kann“, sagt Heindl. „Da tun sich junge Unter- nehmen schwer, die ihre Finanzkraft noch nicht unter Beweis stellen konnten.“ Was ist es also, das langlebige Unterneh- men – ob in Familienhand oder als Kon- zern aufgestellt – erfolgreich macht? Die Rückbesinnung auf die Geschichte und auf alte Werte, kombiniert mit stetiger Weiterentwicklung. Und ein bisschen Wer- bung mit dem Gründungsjahr. Denn sich allein darauf zu verlassen, dass die Tradition schon alles richten wird, reicht nicht aus – wie der Film „Der König von Köln“ sati- risch zeigt. ANDREA MARTENS FP Klaus Naeve, Berenberg: „Unsere Werte kann man unter dem Oberbegriff ‚verantwortungsvolles Handeln‘ zusammenfassen.“ Das Wappen von Berenberg an der Tür eines Kassenraums: Die Historie ist ein wichtiger Teil der 1590 als Handelshaus gegründeten Privatbank. Historischer Stich: Zu sehen ist der Firmensitz von Berenberg um 1886. Damals befand er sich im Hamburger Stadtviertel Alter Wandrahm. VERTRIEB & PRAXIS Traditionsunternehmen 378 fondsprofessionell.de 4/2022 FOTO: © BERENBERG (3)
RkJQdWJsaXNoZXIy ODI5NTI=