FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 4/2022
Michael Roberge, Vorstandschef von MFS, über die Folgen der Kurskapriolen für die Anlagewelt, die auf den ersten Blick eher langweilige Produktpalette des Asset Managers und die Frage, warum sein Haus keine dezidierten Nachhaltigkeitsfonds anbietet. D ie Wurzeln von MFS reichen bis 1924 zurück, ins Gründungsjahr des Massa- chusetts Investors Trust (MIT) – Amerikas erster Investmentfonds. Um weitere Pro- dukte und Dienstleistungen anbieten zu können,wurde der Fonds 1969 umstruktu- riert. Der damalige Firmenname Massa- chusetts Financial Services ist kaum noch geläufig, die Abkürzung MFS sehr wohl. Auch heute noch ist das Haus sehr ameri- kanisch,möchte sich aber internationalisie- ren. Nicht zuletzt deshalb war Vorstands- chef Michael Roberge imOktober in Euro- pa unterwegs. FONDS professionell traf ihn in der Villa Merton in Frankfurt. Herr Roberge, bevor Sie Vorstandsvorsit- zender von MFS wurden, waren Sie lange Zeit Chief Investment Officer des Hauses. Haben Sie ein Marktumfeld wie in diesem Jahr, in demAktien und Renten gleichzeitig fallen, jemals erlebt? Michael Roberge: Für ein solches Szenario muss man wohl bis in die 1970er-Jahre zurückblicken. Der Haupttreiber ist natür- lich die rasant steigende Inflation, sie sorgte für den von Ihnen erwähnten Gleichlauf. Die meisten Investoren haben eine solche Situation noch nicht durchlebt, auch ich nicht. Die Inflation war jahrzehntelang sehr niedrig, was uns eine geringe Volatili- tät bescherte – daran ändern auch kurze Ausreißer wie die während der Finanzkrise und zu Beginn der Corona-Pandemie nichts. Jetzt leben wir in einem völlig ande- ren Umfeld. Politik und Notenbanken ant- worteten mit gewaltigen fiskalischen und monetären Impulsen auf die Pandemie. Der Stimulus war zu lang zu aggressiv. Darauf mussten die Notenbanken nun mit Zinsanhebungen reagieren. Was heißt das für die Asset-Management- Industrie insgesamt und Ihr Unternehmen im Speziellen? Vor allem bedeutet das neue Umfeld, dass es für unsere Kunden deutlich anspruchs- voller geworden ist, Geld zu verdienen. An den Märkten ging es sehr lang fast nur nach oben, es gab kaum Streuung inner- halb einer Anlageklasse – fast alle Aktien sind mehr oder weniger im Gleichlauf ge- stiegen. In den vergangenen Jahren musste man kein toller Portfoliomanager sein, um ansehnliche Renditen zu erwirtschaften, das Beta des Marktes hat gereicht. Diese Zeiten sind vorbei. Es ist wieder wichtiger geworden, die Gewinner und Verlierer zu identifizieren und sich dadurch von den Benchmarks abzuheben, mit denen die Kunden ihre Anlage vergleichen. Sprich: Für aktive Asset Manager wie uns hat sich das Umfeld verbessert, für Beta-Produkte wie Indexfonds hat es sich verschlechtert. Moment: Auch Ihr Haus verdient sein Geld mit Gebühren, die mehr oder weniger an das Beta gekoppelt sind. Sinken die Börsenkurse auf breiter Front, schrumpft das verwaltete Vermögen und damit Ihre Einnahmen. Klar, das ist für die gesamte Branche gewiss eine Herausforderung. Aber wir steuern unser Geschäft durch Bären- genauso wie durch Bullenmärkte, wir sind auf solche Si- tuationen vorbereitet.Märkte steigen,Märk- te fallen, langfristig weist der Trend aber nach oben. Der Grund, warum uns Kun- den Geld geben, ist ja gerade, dass wir es gut durch eine schwierige Zeit wie die jetzige bringen. Amwichtigsten ist daher, insbeson- dere in solchen Phasen die Wünsche der Kunden nicht aus den Augen zu verlieren. Ihr Unternehmen ist stark auf Aktien fokus- siert: Mehr als 80 Prozent des von MFS verwalteten Vermögens stecken in dieser Anlageklasse. Fühlen Sie sich damit noch wohl – jetzt, da die Kurse so deutlich gefal- len sind? » Für aktive Asset Mana- ger wie uns hat sich das Umfeld verbessert. « Michael Roberge, MFS „Wir wollen nicht trendy sein“ VERTRIEB & PRAXIS Michael Roberge | MFS 392 fondsprofessionell.de 4/2022
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