FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 4/2022

Berater dürfen kein falsches Bild von der Kapitalanlage zeichnen BGH, 6. 11. 2018, Az. II ZR 57/16 Der Fall: Ein Ehepaar beteiligte sich 2005 und 2006 über einen Vermittler als atypisch stille Gesellschafter an einer Kapitalanlage. Im September 2012 er- klärte das Paar den Widerruf ihrer Beitritts- erklärungen, die fristlose Kündigung der Beteiligungen und verlangte das eingezahl- te Geld zurück, weil sie unzureichend über die Kapitalanlagen unterrichtet worden wa- ren. Der BGH gab den Klägern in diesem Revisionsverfahren recht und begründete das damit, dass das Ehepaar vor der Zeich- nung zwar den fehlerfreien Emissionspro- spekt überreicht bekam, der Vermittler die Risiken der Anlage aber anders und falsch dargestellt habe. Für Rechtsanwalt Udo Brinkmöller liegt die Bedeutung des Urteils darin, dass laut BGH ein Prospekt mit al- len Risikohinweisen kein Freibrief sei, Risi- ken abweichend hiervon darzustellen und mit Erklärungen ein Bild zu zeichnen, das die Hinweise im Prospekt für die Entschei- dung des Anlegers entwertet oder mindert. Mehr Erläuterungen bei nicht- prospektpflichtigen Anlagen BGH, 19. 2. 2019, Az. II ZR 275/17 Ein Anleger zeichnete im Herbst 2007 nach einem Gespräch mit einem Vermittler Anteile an einer geschlossenen Gesellschaft im Wert von 350.000 US-Dollar. Die Anlage wurde als Private Placement für qualifizierte Investo- ren beworben. Insgesamt sollten 150 bis 200 Millionen Dollar eingesammelt wer- den, allerdings verlief die Platzierung we- gen der damals beginnenden Subprime- krise schleppend.Der Kläger machte jeden- falls geltend, dass er über die schleppende Produktplatzierung nicht aufgeklärt wor- den sei, und verlangte die Rückabwicklung der Beteiligung. Der BGH gab ihm aber nicht recht, der Fall wurde an die Vorin- stanz zurückverwiesen. Allerdings stellte der zweite Senat des Karlsruher Gerichts laut Brinkmöller klar, dass Vermittler und Produktverantwortliche auch bei nicht prospektpflichtigen Kapitalanlagen die vol- len Aufklärungspflichten treffen. „Die Ent- scheidung ist wichtig, denn der Berater muss bei Sachwertanlagen ohne Bafin- Prospekt, also bei fehlenden umfassenden Risikohinweisen und Erläuterungen zu spezifischen Besonderheiten des Produkts, selbst mehr Aufklärungsarbeit leisten und diese entsprechend dokumentieren“, so der Jurist weiter. Interner Zinsfuß vertretbar zur Renditeberechnung BGH, 15. 8. 2019, Az. III ZR 205/17 Das Urteil ist Rechtsanwalt Brink- möller zufolge aus zwei Gründen wichtig. Aber zunächst der Fall: Eine Anlegerin investierte nach Beratung durch eine Handelsvertreterin einer Vermittlungs- gesellschaft in diverse geschlossene Fonds. Später machte sie Schadenersatzansprüche wegen fehlerhafter Beratung geltend. Der Vertrieb widersprach: Die Beratung sei ord- nungsgemäß erfolgt, auch seien die Fonds- prospekte rechtzeitig übergeben worden. Hierzu urteilte der BGH, dass die Anlege- rin für die verspätete Prospektübergabe die Darlegungs- und Beweislast trage. Auch in Bezug auf eine fehlerhafte Beratung ent- schied der BGH gegen die Anlegerin. Ein Klagepunkt hier war, dass sie nicht ord- nungsgemäß über die durch die sogenann- te Interne-Zinsfuß-Methode (IRR-Metho- de) berechneten Prognosezahlen der Fonds informiert worden sei. Die Richter sahen » Bei einem Immobilien- fonds besteht per se keine Aufklärungs- pflicht über ein Totalverlustrisiko. « Oliver Renner, Wüterich Breucker P&R II: Vermittler mussten auch bei erneuten Zeichnungen beraten Da Anleger bei P&R oft mehrfach gezeichnet haben, befasste sich das LG Hamburg (Urteil vom 8. November 2021, Az. 322 O 96/21) mit der Frage, wie weit die Aufklärungspflicht bei einer weiteren Beteiligung geht. Die Antwort: „Bei einer erneuten Zeichnung muss der Berater prüfen, ob das, was er damals bera- ten hat, noch zutreffend ist oder neu bekannt gewordene Risiken vorhanden sind“, fasst Anwalt Marc Gericke das Urteil zusammen. Dem LG zufolge verletze der Vermittler seine Auskunfts- und Risikoaufklärungspflicht, wenn er einen Anleger bereits früher zu Contai- nerinvestments beraten habe und ihm bewusst sei, dass der Kunde auf Grundlage der früheren Beratung erneut zeichnet. Damit unterlasse es der Vermittler zu prüfen, ob der Inhalt der früheren Beratung weiter gilt – ins- besondere auch, ob es neue relevante Informa- tionen über die mit der Kapitalanlage verbunde- nen Risiken gibt, über die er aufklären muss. STEUER & RECHT Sachwerturteile 448 fondsprofessionell.de 4/2022 FOTO: © WÜTERICH BREUCKER

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