FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 1/2023

dass zu der gewaltigen Transformation, vor der Wirtschaft und Gesellschaft stehen, auch Unternehmen, Konzerne und sicher nicht zuletzt die Finanzindustrie ihren Bei- trag leisten müssen. Deshalb stand für mich außer Frage, dass man das nicht allein der Politik überlassen kann. Daher betrachte ich das, was wir als verantwor- tungsbewusste Investoren tun, auch als eine Art politisches Engagement. In welchem Sinne? Es geht nicht nur umWirtschaft oder ums Geschäft. Die Art und Weise, wie wir in den vergangenen zehn Jahren gearbeitet haben, war schon immer auch eine Form von Politik im Sinne eines ständigen Aus- tauschs mit den verschiedensten Interessen- gruppen der Gesellschaft. Dazu gehören neben den Unternehmen, in die wir inves- tieren, auch Nichtregierungsorganisationen, die Zivilgesellschaft allgemein, aber auch die politischen Entscheidungsträger. Wir wollen zeigen, dass Investment sehr viel mehr leisten kann als die Maximierung von Pro t. Es geht um die Frage, wohin das Geld der Investoren ießt, und das hat sehr viel zu tun mit der Übernahme von Verantwortung und dient daher einem all- gemeinen gesellschaftlichen Interesse. Man arbeitet aber doch immer mit einer Verbotskeule, weil man bestimmte Dinge oder Aktivitäten ausschließt? Das entspricht nicht dem Verständnis, wie wir unsere Aufgabe sehen. Wir wollen Kapital zur Verfügung stellen für die Lösungen der Probleme in der Welt. In un- serem Investmentprozess geht es als Erstes darum, die Probleme zu identi zieren, die es anzugehen gilt. So landet man fast von selbst bei den drängenden Themen, die die Gesellschaft insgesamt betreffen, etwa die Auswirkungen des Klimawandels, die schwindende biologische Vielfalt oder auch die gesellschaftlichen Konsequenzen einer wachsenden Ungleichheit und einer zu- nehmend alternden Bevölkerung, um nur einige zu nennen. Ausgehend von diesen Problemfeldern versuchen wir Lösungen dafür zu nden, die möglichst nachhaltig sind. Nachhaltigkeit haben wir noch nie im rein ökologischen Sinn verstanden, son- dern immer auch als Idee, unser Wirtschaf- ten insgesamt nachhaltiger zu machen. Am Ende wollen wir ein Produkt anbieten, das Investoren einen auskömmlichen Ertrag bringt und gleichzeitig Sinnvolles für die Umwelt und die Gesellschaft leistet. Das können neue Technologien, neue Materia- lien oder auch neue Organisationsformen sein.Wenn wir diese Lösungen identi ziert haben, suchen wir nach Unternehmen, die am besten in der Lage sind, diese umzu- setzen oder anzubieten. Deshalb geht es bei unserer Arbeit um Einbeziehung und nicht um Ausschluss. Wollen Sie etwa sagen, dass es bei Mirova keine Ausschlussliste gibt, wie sie heute fast jeder Asset Manager bei einem Ge- spräch über ESG als Erstes hervorholt? So eine Liste haben wir tatsächlich nicht. Mineralölgesellschaften zum Beispiel schlie- ßen wir nicht a priori aus unseren Port- folios aus. Gleichwohl steht am Ende unse- res Investmentprozesses keine Ölgesell- schaft – weil wir nicht glauben, dass es eine » Ich betrachte das, was wir als verant- wortungsbewusste Investoren tun, auch als eine Art politisches Engagement. « Philippe Zaouati, Mirova FOTO: © FRANÇOIS DABURON fondsprofessionell.de 1/2023 157

RkJQdWJsaXNoZXIy ODI5NTI=