FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 1/2023
Lösung für das Problem gibt, das sie mit der Produktion und Verarbeitung von fos- silen Brennstoffen verursachen. Umgekehrt sehen wir auch nicht, dass die Ölgesell- schaften in ausreichendem Maße Lösun- gen für eine Energieerzeugung ohne fossile Brennstoffe bereitstellen. Gilt das auch für das jüngst durchaus kon- trovers diskutierte Thema Kernenergie? Auch die Kernenergie schließen wir nicht aus. Wir stehen dieser Energieform nicht grundsätzlich ablehnend gegenüber. Wir sind vielmehr der Ansicht, dass die Gesell- schaft grundsätzlich einen Energiemix be- nötigt. Aber einen, so gut es geht, dekar- bonisierten Energiemix. Deshalb könnten wir durchaus in einen Versorger mit einem gewissen Anteil an Kernkraft investieren. Ist die Frage nach einer Einbeziehung der Atomenergie in nachhaltige Fonds nicht durch die Anfang 2022 veröffentlichte EU- Taxonomie im Grunde entschieden? Das kommt ganz darauf an, mit wem in der Branche des verantwortlichen Investie- rens man spricht. Nicht nur in Deutsch- land, auch hier in Frankreich wird die Debatte über Kernenergie durchaus heftig geführt, wenn auch aus anderen Gründen. Inwiefern? Das wesentliche Problem besteht aus mei- ner Sicht nicht in der Frage, ob Kernener- gie ein nachhaltiges Investment sein darf. Das eigentliche Problem ist der Umstand, dass die Taxonomie nicht das richtige Instrument ist, ummit diesem Thema um- zugehen. Wir wissen durchaus, dass wir in Europa insgesamt ein großes Problem in Bezug auf den Energiemix haben. Und es gibt sehr wohl eine deutsche, eine belgi- sche und eine französische Energiepolitik, die damit umzugehen versucht. Was wir bisher aber nicht haben, das ist eine ein- heitliche europäische Energiepolitik, die vonnöten wäre. Das ist ein Chaos, das wir dringend beheben müssen. Das schlech- teste Werkzeug zu dessen Behebung ist jedoch die EU-Taxonomie. Warum so pessimistisch? Das hat mit Pessimismus nichts zu tun. Die Taxonomie ist schlicht und ergreifend nicht dafür gemacht. Sie ist vielmehr ein Werkzeug für die Finanzindustrie, kann aber keinen Beitrag leisten, um das Pro- blem des Energiemixes in Europa zu lösen. Im Gegenteil: Wir laufen Gefahr, dass die Taxonomie durch die Einbeziehung in diese Debatte regelrecht verschmutzt wird. Das darunter liegende Thema eines not- wendigen und konsensfähigen Energie- mixes wird nur eine gemeinsame europäi- sche Energiepolitik lösen können. Und wie stehen Sie zum Thema Waffen? Auch Sie werden doch angesichts des Ukrainekrieges nicht infrage stellen, dass eine Gesellschaft insgesamt eine Möglich- keit haben sollte, sich zu verteidigen? Verständlicherweise gab es nach dem Ein- marsch russischer Truppen in die Ukraine zahlreiche Diskussionen über das Thema. Und auch wir leugnen sicher nicht, dass es in einer solchen Situation von Bedeutung ist, eine Verteidigungsindustrie zu haben. Aber lassen Sie uns eines klarstellen: Es liegt nicht am Thema ESG, dass die euro- päischen Länder in den vergangenen 20 Jahren zu wenig in Waffen investiert ha- ben. Wenn wir also heute zum Schluss kommen, dass auch ESG-Anbieter in diese Industrie investieren sollen, so müsste zunächst diese Industrie selbst auch akzep- tieren, dass wir ESG-Analysen für entspre- chende Unternehmen genauso durchfüh- ren können wie für andere Sektoren auch. Das ist der eigentliche Grund, weshalb Sie Hersteller von kontroversen Waffen oder Rüstungsgütern nicht in unseren Portfolios nden werden, sie ießen erst gar nicht in unseren Auswahlprozess ein. Aber was wollen Sie damit genau sagen? » Auch Mineralöl- gesellschaften schließen wir nicht a priori aus unseren Portfolios aus. « Philippe Zaouati, Mirova FOTO: © FRANÇOIS DABURON MARKT & STRATEGIE Philippe Zaouati | Mirova 158 fondsprofessionell.de 1/2023
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