FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 1/2023
Folge der Vater verstarb und der vollständi- ge Hausrat vernichtet wurde. Der Versiche- rer lehnte die Leistung wegen grober Fahr- lässigkeit ab. Hier haben wir einen Ver- gleich erreicht: Der Versicherer übernahm wenigstens einen Teil des Schadens, weil nicht abschließend geklärt war, ob tatsäch- lich grobe Fahrlässigkeit vorlag. Das ist wirklich tragisch. Und ein kurioser Fall? Unter den Kuriositäten kommt mir ein Be- schwerdeführer in den Sinn, der seine ein- motorige private Cessna wegen Ablenkung versehentlich landete, ohne das Fahrwerk auszufahren.Der Luftkaskoversicherer lehn- te wegen grob fahrlässiger Herbeiführung des Schadens die Zahlung zunächst ab. Auch eine Quotelung war laut Versicherer nicht möglich, denn es handelte sich um eine Großrisikoversicherung, bei der eine Quotelung bei grober Fahrlässigkeit ausge- schlossen war. Da fraglich erschien, ob hier tatsächlich eine Großrisikoversicherung vor- lag, weil der Beschwerdeführer die kleine Maschine privat genutzt hatte, konnten wir eine Vergleichsvereinbarung mit einer Teil- übernahme des Schadens erreichen. Wasmuss ein verärgerter Kunde beachten, wenn er sich an Sie wendet? Wir leisten keine individuelle Rechtsbera- tung und nehmen auch nicht einseitig Interessen des Kunden wahr. Als neutrale Instanz sind wir allen Beteiligten gleicher- maßen verp ichtet. Selbstverständlich hel- fen wir dem Kunden, die Prüfung seines Anliegens auf denWeg zu bringen. Bei den Beschwerden über Versicherer sind wir für die Verbraucher oder Personen in verbrau- cherähnlicher Lage da. Gewerbetreibenden und Selbstständigen können wir hier nicht weiterhelfen, bei Beschwerden gegen Ver- mittler hingegen schon. Wichtig ist über- dies, dass der Anspruch zuvor beim Ver- sicherer oder beim Vermittler geltend ge- macht wurde. Es emp ehlt sich, unser Online-Schlichtungsformular zu nutzen. Wo liegen die Grenzen der Schlichtung? Eine absolute Grenze liegt bei einem Be- schwerdewert von mehr als 100.000 Euro, die jedoch nur für Beschwerden über Ver- sicherer gilt. Relativ eingeschränkt sind die Möglichkeiten zur Schlichtung bei Streitig- keiten, die sich für das vereinfachte Schlich- tungsverfahren nicht eignen. Das kann der Fall sein, wenn eine grundsätzliche Rechts- frage, die für die Bewertung des Streits er- heblich ist, nicht geklärt ist. Nicht geeignet können aber auch Anträge sein, wenn eine Beweisaufnahme erforderlich ist, die nur in einem Gerichtsverfahren erfolgen kann. Das Schlichtungsverfahren wird ausschließ- lich auf Basis der vorgelegten Unterlagen geführt. In der Rechtssprache heißt das, wir erheben nur den Urkundenbeweis. Sie könnten als ehemaliger Richter seit fünf Jahren den Ruhestand genießen. Warum wollen Sie immer noch schlichten? Weil das alternative und außergerichtliche Schlichtungsverfahren eine reizvolle Auf- gabe ist. Es läuft deutlich schneller und ein- facher ab als ein Gerichtsverfahren, und die Erklärungen sind zudem verständlicher. Kurz: Es ist ein großartiges, effektives Mo- dell. Daran mitzuwirken, Kon ikte zügig auf der Grundlage gebündelter Fachkom- petenz unserer Schlichtungsstelle zu befrie- den, motiviert auch einen Ruheständler. Vielen Dank für das Gespräch. DETLEF POHL FP » Ein Mehr an Aufklärung durch die Versicherer könnte Irritationen vermeiden. « Wilhelm Schluckebier, Versicherungsombudsmann Online weiterlesen: QR-Code scannen oder fponline.de/OBM123 eingeben. VITA: Wilhelm Schluckebier Wilhelm Schluckebier, Jahrgang 1949, war Oberstaatsanwalt und später Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof (BGH), ehe er 1999 für sieben Jahre als Richter am BGH arbeitete. 2006 wechselte Schluckebier als Richter ans Bundesverfas- sungsgericht, wo er bis zur Pensionierung 2017 auch für Verfahren aus dem Versicherungswesen zuständig war. Seit April 2019 ist er Ombudsmann für Versicherungen in Berlin. FOTO: © MARTIN PETERDAMM FONDS & VERSICHERUNG Wilhelm Schluckebier | Versicherungsombudsmann 246 fondsprofessionell.de 1/2023
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