FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 1/2023
fusionen nicht. Da geht es um Verträge sowie wirtschaftliche Fakten, und es ist auf eine sehr lange Zeit ausgelegt. Wir haben zudem das Glück, dass bei uns Fusionen vom Aufsichtsrat nicht politisch getrieben sind. Das ist bei vielen Instituten anders. Planen Sie, nach den Fusionen Anpassun- gen im Filialnetz vorzunehmen? Unsere Hausaufgaben sind alle schon gemacht. In meiner Amtszeit als Vorstand schlossen wir aus strategischen Gründen bisher insgesamt 21 Filialen. Wir besitzen keine „Klitschen“ mehr. In den kleineren Filialen sind mindestens drei bis sechs Mit- arbeiter vor Ort. Es gibt auch zwei Selbst- bedienungsstellen mit Videoberatung. Mit unseren insgesamt 17 Geschäftsstellen, die alle betriebswirtschaftlich rentabel sind, sind wir gut aufgestellt. Wir merken je- doch, dass unsere Kunden seit der Corona- Pandemie das Onlinebanking stärker nut- zen. Dementsprechend passen wir jetzt un- sere Öffnungszeiten an: Seit Jahresbeginn schließen wir grundsätzlich alle Filialen am Freitag, da wir festgestellt haben, dass an diesem Tag nicht so viele Beratungen in Anspruch genommen werden – im Ge- gensatz zu den anderen Wochentagen, wo wir derzeit einen deutlich höheren Bera- tungsbedarf spüren. Die kleineren Ge- schäftsstellen schließen wir an zwei Tagen. Welche Motivation steckt hinter der freitäg- lichen Schließung Ihrer Filialen? Sie möch- ten doch nicht nur Heizkosten sparen. Wir stellen uns die Frage, wann und wie wir unsere Leistung anbieten können. Müssen wir als Universalbank unsere gesamte Mannschaft an allen Tagen der Woche bereitstellen? Oder können wir die Kunden auch etwas kanalisieren? Letzteres scheint zu funktionieren.Der zweite Punkt ist, dass der Zeitgeist nach energetischen Maßnahmen ruft. Wenn ich die gesamte Bank freitags zumache, dann spare ich tat- sächlich deutlich Energiekosten. Ein weite- rer wesentlicher Punkt: In den nächsten fünf Jahren sind rund 20 Prozent unserer 250 Mitarbeiter 63 Jahre oder älter. Genau wie bei den Handwerkern mangelt es auch bei uns an Fachkräften. Wir können uns darüber beklagen oder etwas unterneh- men.Wir gehen jetzt denWeg der 35-Stun- den-Woche bei vollem Lohnausgleich. Der Freitag bleibt komplett frei, an den anderen Tagen fangen wir morgens etwas früher an. Am Dienstag und Donnerstag, dem „Schladi“ und „Schlado“, wird jetzt richtig rangeklotzt, aber danach können die Mit- arbeiter das lange Wochenende genießen. Die neue Regelung gilt für alle Mitarbeiter mit Ausnahme des Vorstands, von Teilen der Führungskräfte und des Kundenser- vice-Centers. Vorreiter bei diesem Arbeits- zeitmodell war übrigens die Volksbank Kaiserslautern. Was erhoffen Sie sich von den neuen Arbeitszeitregelungen? Wir wollen damit am Arbeitsmarkt attrak- tiver werden, zumindest für diejenigen, die hier in der Umgebung wohnen. Ich bilde mir nicht ein, dass sich jetzt Heerscharen von Leuten bei uns bewerben. Aber die guten Kräfte bleiben eher. Wir haben in den letzten Jahren mehrere jüngere Mit- arbeiter verloren, aber nicht an andere Ban- ken, sondern eher an den öffentlichen Dienst, etwa an die Polizei oder die Ba n. Da locken die exiblen Arbeitszeiten. Wir möchten derzeit Stellen besetzen, im Janu- ar gab es beispielsweise fünf Neueinstellun- gen. Das neue Arbeitszeitmodell war nicht der Hauptgrund für die Bewerber, zu uns zu kommen, aber es war das Sahnehäub- chen. Man nimmt uns auch ab, dass wir familiär aufgestellt sind. Diesen Vorsprung haben wir jedoch nur drei bis vier Jahre, dann setzen sich solche oder ähnliche Modelle auf breiter Basis durch. Vielen Dank für das Gespräch. MARCUS HIPPLER FP » Seit Jahresbeginn schließen wir grund- sätzlich alle Filialen am Freitag. « Hans-Jürgen Lembicz, Volksbank Euskirchen FOTO: © CORNELIS GOLLHARDT BANK & FONDS Hans-Jürgen Lembicz | Volksbank Euskirchen 418 fondsprofessionell.de 1/2023
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