FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 1/2023

neue und zusätzliche Kunden anziehen, ihre Einnahmen erhöhen und ihr Service- portfolio diversi zieren.“ Nickel, das sein Kontomodell für 20 Euro im Jahr anbietet, ist nicht das einzige Unternehmen, das neue Wege geht, um Kunden zu gewinnen.Mittlerweile platzie- ren mehrere Finanzinstitute ihre Produkte in Supermärkten, Lotto-Annahmestellen oder Elektronikmärkten. Hans-Peter Burg- hof, Professor für Bankwirtschaft und Finanzdienstleistungen an der Universität Hohenheim, macht den enormen Kosten- druck, der auf den Banken lastet, verant- wortlich für diese Entwicklung. „Zweig- stellen sind zu teuer“, sagt Burghof. „Service erfolgt zukünftig fast ausschließlich digital. Service am Schalter, wie man das von frü- her noch kennt, wird schlichtweg zu teuer.“ In Zukunft ndet sich wohl kein Bank- Azubi mehr am Tresen, der für die Senio- rin den Überweisungsträger ausfüllt – wenn überhaupt, dann nur noch gegen horrende Gebühren. Steigende Personal- und auch Energiekosten, bedingt durch den Ausbruch des Ukraine-Kon ikts, ver- stärken diesen Trend ebenfalls. Zweifel an Cross-Selling Der Bankenexperte bezweifelt, dass die Institute selbst schuld daran sind, dass die Filiale ausgedient hat. Zwar sorgen Kompe- tenzverlagerungen in zentrale Einheiten oder die zunehmende Digitalisierung für eine geringere Filialfrequenz, aber auch sonst würden dort nicht mehr Produkte verkauft werden. „An Cross-Selling glaube ich nicht mehr“, sagt Burghof. „Das ging früher am Schalter, als der Kunde noch seine Überweisungen abgegeben hat und man ihn dann auf seine VL-Leistungen angesprochen hat. Das funktioniert nur im kleinteiligen Geschäft. Wer heute nach einer Immobilien nanzierung fragt,möch- te beim gleichen Termin nicht auf Wert- papiere angesprochen werden.“ Burghof prangert vielmehr die Regulie- rer an, die den Banken das Geschäft zuneh- mend erschweren und teilweise auch für den Kostendruck verantwortlich sind. „Wir sehen einen Wildwuchs an Regulierung. Die Banken werden quasi drangsaliert“, meint der Hochschullehrer. Er will zudem eine „asymmetrische Form“ der Regulie- rung zumNachteil der Banken gegenüber digitalen Anbietern ausgemacht haben. „Richtige Leitplanken für den digitalen Bereich zu bieten, davon sind die Regulato- ren sehr weit entfernt“, so Burghof. ETF-Portfolios im Supermarkt Auch die Onlinevermögensverwalter Quirion und Growney sind mittlerweile im Supermarktregal vertreten.Die digitalen Anbieter kooperieren mit dem Einzelhänd- ler Edeka und bieten dort Gutscheinkarten für ETF-Vermögensverwaltungen an. Der Kunde ndet sie in verschiedenen Stück- größen zwischen 25 bis 100 Euro neben Handyladekarten und Net ix-Vouchers in über 3.600 Filialen des Einzelhandelsriesen. Quirion ist seit Oktober 2021 im Regal gelistet und verkaufte nach eigenen Anga- ben seitdem Gutscheine für einen „mittle- ren sechsstelligen Euro-Betrag“. Das Gutha- ben soll drei Jahre gültig sein, mit ihm las- sen sich neben Erstinvestitionen auch be- stehende Depots aufstocken oder Sparplä- ne besparen. Die Tochter der Quirin Bank ist vom Konzept überzeugt und arbeitet daran, weitere Einzelhändler als Koopera- tionspartner zu gewinnen. Auch auf der digitalen Plattform „Wunschgutschein“ ist der Vermögensverwalter mittlerweile präsent. „Die Umsetzung der Idee war nicht so einfach. Denn selbstverständlich müssen wir alle strengen gesetzlichen und regulato- rischen Anforderungen erfüllen“, räumte Quirion-Chef Martin Daut zum Start der Kooperation ein. Doch die Mühe habe sich gelohnt: „Mit den Gutscheinkarten haben wir jetzt die Chance, einfacher auch diejenigen zu erreichen, die sich bisher noch nicht mit der Anlage am Kapital- markt beschäftigt haben.“ Die Ladentheke ist also eine Alternative zum klassischen Bankenvertrieb geworden. Dies gilt insbesondere für Fintechs, die oft kapitalschwach sind, oder Direktbanken, die per De nition ohne Geschäftsstellen auskommen und dennoch Kunden gewin- nen müssen. „Die Institute wollen dahin, wo die Menschen sind, sie möchten an den ‚Point of Sale‘“, sagt Bankenprofessor Mehr als 3.600 Edeka-Filialen vertreiben Gutscheine für Onlinevermögensverwaltungen. Quelle:Edeka » Die Verkaufsstellen können neue und zusätzliche Kunden anziehen, ihre Einnah- men erhöhen und ihr Serviceportfolio diversifizieren. « Thomas Courtois, Nickel fondsprofessionell.de 1/2023 431 FOTO: © NICKEL

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