FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 2/2023

China liefere Waffen an Russland, und den in den USA und Teilen Europas eher ver- ächtlich aufgenommenen Friedensplan der Chinesen. All das hat die chinesische Füh- rung dazu veranlasst, ihr Verhalten auf der Weltbühne zu verändern.Man streckt zwar weiterhin die Hand aus gegenüber ameri- kanischen Unternehmen, weil man um die besondere Bedeutung von Handelsbezie- hungen weiß, jedoch nicht mehr gegen- über Politikern.Damit hat China sein über Jahrzehnte gep egtes Credo nach demMot- to „Halte deine Stärken im Verborgenen und warte einfach ab“ aufgegeben. Statt- dessen tritt Peking vielmehr offen als selbst- bewusster Akteur auf die Weltbühne, der sich nicht mehr alles gefallen lassen wird. Rechnen Sie mit einer weiteren Eskalation der sinoamerikanischen Beziehungen? Wir gehen eher davon aus, dass wir eine Art kontrollierten stetigen Abwärtstrend der Beziehungen zwischen China und den USA sehen werden. Stetig deshalb, weil sich dieser Prozess wohl über die nächsten Jahre hinziehen wird. Für 2023 erwarten wir aber keine Eskalation und geben dem „Status quo“ eine Wahrscheinlichkeit von 60 Prozent, während eine schnelle Ver- schlechterung bis hin zu einer Eskalation bei etwa 30 Prozent liegt. Was bedeutet das für andere Länder und die Kooperation in der Welt insgesamt? So etwas wie eine oft als allgemein gegebe- ne und geteilte „Übereinkunft“, wonach weniger Handelsbarrieren gut für den Wohlstand aller Akteure in der Welt sind, weil jeder auf seine Weise pro tiert, ist nicht mehr gültig.Wir leben inzwischen in einer Welt, die von der Haltung „Jeder für sich“geprägt ist. Individualistische und län- derspezi sche Interessen haben die Ober- hand gewonnen. Was natürlich insbeson- dere die geopolitischen Risiken erhöht. Sprechen Sie etwas an, was inzwischen oft als Deglobalisierung bezeichnet wird? Ich glaube, dass Deglobalisierung der fal- sche Begriff ist, denn darum geht es nicht. Es geht auch nicht um eine ausgeprägte Blockbildung, weil die meisten Länder ver- suchen werden, sich nicht für die ameri- kanische oder die chinesische Seite zu ent- scheiden. Viele Länder werden eine Art Weg der strategischen Neutralität einschla- gen. Deshalb würde ich eher von einer zunehmenden Fragmentierung der Welt sprechen, in der die einzelnen Akteure sehr viel stärker ihre eigenen spezi schen Inter- essen im Blick haben, in der Länder deut- lich stärker opportunistisch entscheiden. Mit welchen Konsequenzen? Ein wesentlich geringeres Maß an Bereit- schaft zu Übereinkunft und Kooperation wird an vielen Stellen zunehmend zu Frik- tionen führen, was natürlich den Aufwand für entsprechend notwendig werdende Einzelverhandlungen erhöhen wird. Das wiederumwird es nicht nur der wirtschaft- lichen Seite, sprich den Unternehmen, son- dern auch den politisch Handelnden er- heblich schwerer machen, erfolgreich zu agieren. Das wird vor allem Europa in ver- schiedener Hinsicht in Bedrängnis bringen. Warum? » Die geopolitische Entwicklung ist zu einer wichtigen Triebfeder gewor- den, die viele Bereiche unseres Zusammenlebens gerade massiv verändert. « Anna Rosenberg, Amundi Institute FOTO: © TOM BIRTCHNELL fondsprofessionell.de 2/2023 163

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