FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 2/2023

Mini-Rente als Stolperfalle Was, wenn der Versicherer die Krankentagegeldpolice kündigt, weil der Kunde im Rentenalter ist? Die Rechtsprechung fällt eher verbraucherfeindlich aus. Nun ist der Ombudsmann am Zug. J ahrelang überwies Axel Kramer aus Wendelstein in Mittelfranken pünkt- lich seine Beiträge zur Krankentagegeld- versicherung (KTG) an die Inter Versiche- rungsgruppe in Mannheim. Als der beim Medizinischen Dienst angestellte Arzt im September 2022 schwer erkrankte und nach sechs Wochen Lohnfortzahlung im- mer noch nicht wieder arbeiten konnte, ho te er auf die vereinbarten 190 Euro pro Tag aus der KTG-Police. Doch die Inter zahlte nicht. Als sein Versicherungsmakler Harald Thummet aus Heroldsberg nach- hakte, erfuhr er, dass der Versicherer den Vertrag rückwirkend zum 1. Januar 2022 gekündigt hatte – seitdem gezahlte Beiträge wurden erstattet. Makler und Kunde verstehen angesichts der Begründung die Welt nicht mehr.Weil Kramer seit 2022 eine kleine gesetzliche Altersrente bekommt, obwohl er weiter- arbeitet und rund 5.000 Euro im Monat verdient, endet die Versicherungsfähigkeit in der KTG (nach Paragraf 15 Absatz 1c der Allgemeinen Versicherungsbedingun- gen [AVB]). „Diese Regelung tri t auch zu, wenn die versicherte Person weiterhin be- ru ich tätig ist, wobei die Höhe der Alters- rente hierbei unerheblich ist“, schreibt die Inter in der Kündigungsbegründung. Das klingt auf den ersten Blick plausibel, denn die KTG ist ihrem Charakter nach eine Verdienstausfallversicherung. Mit dem Bezug von Regelaltersrente ist kein ver- sicherbarer Bedarf mehr vorhanden, sodass das Versicherungsverhältnis automatisch endet, entschied bereits 2013 das Ober- landesgericht Frankfurt/Main. Kramer will das jedoch nicht akzeptie- ren, denn er hat sein formales Rentenalter von gut 65 Jahren zwar Anfang 2022 er- reicht, erhält seine Regelaltersrente von ak- tuell rund 3.880 Euro bei der Bayerischen Ärzteversorgung aber noch gar nicht, weil er Eintritt und Bezug der Regelaltersrente hinausgeschoben hat. Dies ist bis zum 72. Geburtstag möglich. Der Arzt bekommt lediglich 60 Euro von der Deutschen Ren- tenversicherung und 150 Euro von der VBL, der Betriebsrente des Medizinischen Dienstes, weil in beiden Fällen kein Hin- ausschieben des Rentenbezugs möglich ist. „Diese Ansprüche habe ich als Student und im Rahmen des Versorgungsaus- gleichs sowie durch meine Tätigkeit beim Medizinischen Dienst erworben“, erklärt Kramer und fragt: „210 Euro Rente im Monat sollen sachlicher Grund für die Aufhebung der KTG-Versicherung sein?“Er sieht darin einen deutlichen Verstoß gegen Treu und Glauben. Verdienstausfall „Das ist krass und meiner Meinung nach der falsche rechtliche Ansatz“, ärgert sich auch Makler Thummet. Letztlich komme es doch darauf an, ob der Kunde nach Bezug seiner Altersrente noch eine » Leider bewerten Rechtsprechung und juristische Literatur die Frage einhellig anders. « Sebastian Lux, Rechtsanwalt Wer bereits eine Altersrente erhält, hat keinen Anspruch auf Kranken- tagegeld, urteilten mehrere Gerichte. Wenn sich diese Rente nur auf ein paar Euro im Monat beläuft, scheint das nicht sonderlich fair zu sein. FONDS & VERSICHERUNG Krankentagegeld 288 fondsprofessionell.de 2/2023 FOTO: © YETI STUDIO | STOCK.ADOBE.COM

RkJQdWJsaXNoZXIy ODI5NTI=