FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 2/2023

Tod in der Onlinewelt Ab einem gewissen Alter regeln die meisten Menschen ihr Erbe. Digitale Inhalte und auch Vermögenswerte werden dabei noch immer oft vergessen. Hier besteht Beratungsbedarf. M it 48 Jahren stand er an der Spitze eines Unternehmens, war verheiratet und Vater einer kleinen Tochter. Eines Tages brach er zusammen und starb kurze Zeit später. Der plötzliche Tod des Fami- lienvaters war tragisch genug, doch er stell- te seine Frau zusätzlich auch noch vor eine schwierige Situation: Ihr Ehemann hatte viele Verträge im Internet abgeschlossen. Auch einen Großteil des nicht unbeträcht- lichen Vermögens der Familie hatte er bei Onlinebanken und über digitale Broker angelegt. Doch um sich überhaupt eine Übersicht verscha en zu können, musste die Witwe den Computer ihres Mannes schließlich hacken lassen – das Passwort für den Rechner hatte er nirgendwo hinterlegt. Dieser Fall ist konstruiert. Stephanie Herzog, Rechtsanwältin und Partnerin der Kanzlei Peter & Partner aus Würselen bei Aachen, kennt ganz ähnliche Geschichten jedoch aus ihrer beru ichen Praxis. „An solchen Fällen zeigt sich, was geschehen kann, wenn Menschen versterben, ohne sich Gedanken über ihren digitalen Nach- lass gemacht zu haben“, erklärt Herzog. Der Begri digitaler Nachlass ist weit gefasst. Rechtlich verbergen sich dahinter Verträge mit Internetprovidern, jede Hard- und Software, Benutzer- und Firmenpro"le im Netz, Apps, Blogs, digital angelegtes Vermögen und vieles mehr. Häufig vernachlässigt „Genau wie der analoge Nachlass be- steht das digitale Erbe aus einer Vielzahl von Rechtspositionen“, erläutert Herzog. Doch während die meisten Menschen zu- mindest ab einem gewissen Alter darüber nachdenken, wer ihr Erbe in der O ine- welt antreten soll, werden die digitalen Rechtspositionen häu"g vernachlässigt. Zumindest wächst seit einiger Zeit das Bewusstsein dafür, wie wichtig es ist, auch den digitalen Nachlass zu regeln. So hat eine bundesweite Umfrage des Digital- verbands Bitkom unter Internetnutzern im Alter ab 16 Jahren ergeben, dass sich im Jahr 2021 bereits 40 Prozent der User um das Thema gekümmert haben. 2019 waren es erst 31 Prozent, 2017 gerade einmal 18 Prozent (siehe Gra"k nächste Seite). 53 Pro- zent der Befragten ist die Relevanz bewusst, dennoch haben sie die Regelung ihres digitalen Erbes noch nicht in Angri ge- nommen. „Hier sehe ich großen Beratungsbedarf“, sagt Herzog. Generationenberatern oder Ruhestandsplanern emp"ehlt sie, sich mit dem Thema vertraut zu machen, damit sie ihren Kunden beistehen können. „Ich "nde das sehr wichtig, denn wenn sich Mandanten mit Problemen an uns wen- den, ist das Kind meist schon in den Brunnen gefallen“, erklärt die Anwältin. Immerhin ist die Rechtslage hinsichtlich des digitalen Nachlasses seit 2018 klarer als zuvor. Bis dahin herrschte Unsicherheit darüber, wie mit unterschiedlichen Arten von digitalen Daten, die nicht lokal im Eigentum des Erblassers, sondern im Netz gespeichert sind, im Erbfall umzugehen ist. Vermögenswerte Inhalte, so die Meinung vieler Juristen, hätten auf die Erben über- zugehen, höchstpersönliche jedoch nicht. Das führte häu"g zu Kon ikten im Familienkreis oder zu Problemen mit dem Testamentsvollstrecker. Wollte dieser zum Facebook, Onlinebanking, Bestellung imWebshop: Aktivitäten im Internet hinterlassen Spuren und viele Verträ- ge. Was nach dem eigenen Tod mit den Daten passieren soll, sollte im digitalen Erbe festgelegt werden. SPEZIAL | VERFÜGUNGEN & VOLLMACHTEN Digitales Erbe 326 fondsprofessionell.de 2/2023 FOTO: © CHINNAPONG | STOCK.ADOBE.COM

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