FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 2/2023

Überraschende Hürde Übernahmen von Aktiengesellschaften verlaufen immer mühsamer. Dabei rückt die Rolle von Indexfonds ins Licht. Sie reagieren nur schleppend auf Kaufofferten – aus einem bestimmten Grund. B ei der Übernahme eines börsennotier- ten Unternehmens sehen sich Käufer immer wieder mit renitenten Aktionären konfrontiert. Die widerspenstigen Anteils- eigner fordern meist einen Nachschlag. Doch kaufwillige Konzerne standen zuletzt auch einer wachsenden Investorengruppe gegenüber, die nicht auf ein aufgebessertes Angebot drängen – und dennoch ihre Ak- tien nicht zum Kauf anbieten. So scheiterte etwa im ersten Anlauf der Erwerb des Pharmakonzerns Stada durch die Finanzinvestoren Bain und Cinven ebenso wie die Übernahme der Deutschen Wohnen durch den Konkurrenten Vono- via. Erst die zweiten Versuche waren erfolg- reich. Auch die Fusion der Industriegase- konzerne Linde und Praxair gelang nicht auf Anhieb. Als überraschender Hemm- schuh bei diesen Transaktionen erwiesen sich herkömmliche und börsengehandelte Indexfonds (ETFs). Doch wie können Fonds, die lediglich Barometer widerspie- geln und eigentlich keine eigene Agenda verfolgen, zumHindernis bei Übernahme- versuchen mutieren? Die Antwort liegt im sagenhaften Boom der ETF-Branche. Die Indexfolger sind zu einer nennenswerten Größe herangewach- sen.Dies zeigt etwa ein Blick auf den Streu- besitz der im deutschen Leitindex Dax notierten Konzerne.Hier verfolgen immer- hin fast 23 Prozent des Investorenkapitals eine passive Strategie, so eine Untersuchung des Deutschen Investor Relations Verbands und des Analysehauses S&P Global. Der zunehmende Anteil in den Händen passiver Investoren liegender Aktien kann zur Blockade einer Kaufo erte führen – ungewollt, wohlgemerkt. Denn die Index- fonds stecken in einem Dilemma. „Da ETFs die Wertentwicklung eines Index widerspiegeln müssen, dürfen sie ein Über- nahmeangebot in der Regel so lange nicht annehmen, wie das Zielunternehmen im betre enden Index gelistet ist“, sagt Dirk Schmidbauer, Rechtsanwalt bei der Kanzlei CMS Hasche Sigle in Köln. Zwei Fristen Erst wenn sich die Zusammensetzung des Index ändert und das Zielunternehmen ausscheidet, darf der ETF die von ihm ge- haltenen Aktien andienen. „Die von Index- fonds gehaltenen Aktien stehen für die Erreichung der Mindestannahmeschwelle bei Übernahmeangeboten somit zunächst nicht zur Verfügung“, folgert Schmidbauer. In der Regel laufen eine Übernahme und die folgende Indexumstellung in Etap- pen ab. „Ein Übernahmeangebot umfasst zwei Annahmefristen“, erklärt der Anwalt. Bis zum ersten Termin müssen die Aktio- näre des Kaufziels kundtun, ob sie die O erte annehmen und ihre Aktien anbie- ten. Bei Dax-Unternehmen beispielsweise » Die von Indexfonds gehaltenen Aktien ste- hen für die Erreichung der Mindestannahme- schwelle zunächst nicht zur Verfügung. « Dirk Schmidbauer, CMS Hohes Hindernis: Hedgefonds hoffen bei Firmenübernahmen häufig auf einen Nachschlag beim Angebot. ETFs dürfen ihre Aktien anfangs aber gar nicht andienen – und bringen Käufer mitunter in die Bredouille. VERTRIEB & PRAXIS Indexumbau 392 fondsprofessionell.de 2/2023 FOTO: © FS-STOCK | STOCK.ADOBE.COM

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