FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 2/2023

Vertagte Disruption Die EU-Kommission verzichtet darauf, ein generelles Provisions- verbot durchzusetzen. Verschärfungen wird es aber geben – und aufgeschoben heißt nicht aufgehoben. D er Satz, mit dem Mairead McGuin- ness ihre Pläne für ein Provisionsver- bot zumindest vorerst beerdigte, hat das Potenzial, zum ge ügelten Wort zu wer- den: „Wir haben denen zugehört, die uns sagen, dass ein vollständiges Provisionsver- bot zu diesem Zeitpunkt zu disruptiv sein könnte“, sagte die EU-Kommissarin Ende April auf einer Konferenz in Stockholm. „Zu diesem Zeitpunkt zu disruptiv“ – da schwingt deutlich mit, dass McGuinness nach wie vor große Sympathien für ein sol- ches Vorhaben hegt, sie sich damit aktuell aber nicht durchsetzen konnte. Verbrau- cherschützer nahmen das mit Sarkasmus zur Kenntnis: „Die EU-Kommission ist als Tiger gestartet und als Bettvorleger gelan- det“, sagte Britta Langenberg von der Bür- gerbewegung Finanzwende. Klar ist jedenfalls: Auf Sicht der nächsten Jahre wird es kein generelles Provisionsver- bot in der Finanzberatung geben. Fest steht aber auch, dass nicht alles beim Alten bleibt. „Die Kommissarin hat angedeutet, dass die Regelungen für die Provisionen verschärft werden sollen“, sagt der Münch- ner Rechtsanwalt Christian Waigel. Den endgültigen Vorschlag für ihre „Kleinanlegerstrategie“wollte McGuinness am 24. Mai vorstellen, nach Redaktions- schluss dieser Ausgabe. Aus ihrer Rede und einem Entwurf für dieses Papier ließ sich jedoch schon ablesen, in welche Richtung die Regelungen gehen könnten. Waigel erinnert daran, dass Zuwendun- gen aktuell nur dann zulässig sind, wenn sie o engelegt werden und eine Qualitäts- verbesserung für den Kunden bezwecken. Die Finanzmarktrichtlinie Mi d II nennt dazu drei Regelbeispiele. „Deutschland hatte in einem Alleingang ein viertes Regelbeispiel gescha en, nämlich die Rechtfertigung von Provisionen durch ein ächendeckendes Filial- oder Beraternetz- werk“, so Waigel. „Zudem war die aufsicht- liche Anforderung in den Hintergrund getreten, wonach Provisionen individuell am Kunden spürbar zu einer Qualitäts- verbesserung beitragen müssten.“ Würden diese Erleichterungen gestri- chen, könnte das Schwierigkeiten nach sich ziehen, mahnt Waigel. „Zum Beispiel kön- nen Sparkassen jetzt einfach auf ihr Filial- netz verweisen und die zu dessen Finanzie- rung notwendigen Provisionen auf diesen Rechtfertigungsgrund stützen.“ Falls die Kommission oder die EU-Wertpapierauf- sicht ESMA zu ihrer ursprünglichen Hal- tung zurückkehren, eine spürbare Quali- tätsverbesserung pro Kunde erreichen zu müssen, wäre das nicht mehr möglich. Erweiterte Kostentransparenz Auch die Transparenzp ichten sollen erhöht werden. „Das läuft wahrscheinlich darauf hinaus, dass die Ex-ante-Kostentrans- parenz noch einmal erweitert wird“, vermu- tet der Rechtsanwalt. McGuinness möchte » Die EU-Kommission ist als Tiger gestartet und als Bettvorleger gelandet. « Britta Langenberg, Finanzwende Im Bürokomplex der Europäischen Kommission in Brüssel herrscht seit vielen Jahren Sympathie für ein absolutes Verbot von Zuwendungen im Finanzvertrieb. Doch wichtige Mitgliedsländer bremsen die Behörde. STEUER & RECHT Kleinanlegerstrategie 442 fondsprofessionell.de 2/2023 FOTO: © AREPORTER | STOCK.ADOBE.COM

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