FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 2/2023
sungsgebers eingegliedert ist. Weitere aus- führliche Kriterien nden sich im „Rund- schreiben zur Statusfeststellung von Er- werbstätigen“ der DRV, des GKV-Spitzen- verbandes und der Bundesagentur für Arbeit vom 1. April 2022. Für ein Beschäf- tigungsverhältnis sprechen demnach etwa eine detaillierte Berichtsp icht, ein Arbeits- ort am Firmensitz oder das Verbot von Untervertretern. Für eine Selbstständigkeit sprechen eigene Angestellte und Unterver- treter, keine oder nur geringe zeitliche Vorgaben, eine eigene Betriebsorganisation und der Einsatz von eigenem Kapital. Die Gesamtschau entscheidet „Bei der Beurteilung, ob jemand selbst- ständig oder abhängig beschäftigt ist, ist aber immer die Gesamtschau entschei- dend“, so Kolß weiter. Sowohl die tatsäch- lichen Arbeitsverhältnisse, also wie die Beschäftigung „in der Praxis gelebt wird“, als auch die vertraglichen Bedingungen müssten geprüft werden. „Somit spielen etwa für Finanz- und Versicherungsvermitt- ler auch zivilrechtliche Vorschriften eine Rolle, etwa die des Handelsgesetzbuchs (HGB) oder auch das Aufsichtsrecht in Form des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG)“, erläutert die Anwältin. Im Streitfall kann das HGB das SGB aber nicht ausste- chen. Rechtsstreitigkeiten zur Feststellung einer möglichen Scheinselbstständigkeit gibt es immer wieder – so aktuell zwischen der DRV und der Deutschen Bank (siehe Kasten nächste Seite). Mit dieser Unterscheidung ist aber noch nicht abschließend geklärt, ob ein Selbst- ständiger unter Umständen in die gesetz- liche Rentenkasse einzahlen muss. Diese mögliche P icht ergibt sich aus Paragraf 2 Absatz 1 Nummer 9 SGB VI. „Dieser begründet die Rentenversicherungsp icht von ansonsten zweifelsfrei selbstständig tätigen Personen, welche regelmäßig kei- nen versicherungsp ichtigen Arbeitneh- mer beschäftigen und auf Dauer und im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber tätig sind“, erklärt Norman Wirth von der Berliner Kanzlei Wirth Rechtsanwälte. Der Gesetzgeber sieht hier die Gefahr der Abhängigkeit von einem Auftraggeber, sodass der Selbstständige nicht fürs Alter vorsorgen kann. Schutzbedürftige Selbstständige In diese Kategorie fallen etwa Ausschließ- lichkeitsvertreter von Versicherern, die kei- ne Mitarbeiter haben. Aber auch freie Mak- ler können laut Einschätzung einzelner Gerichte zu „schutzbedürftigen Selbststän- digen“werden, wenn sie fünf Sechstel oder mehr ihrer Geschäfte über einen Pool abwickeln und keine Mitarbeiter haben. Aber wann genau gilt eine Rentenversi- cherungsp icht? Eine abschließende Ant- wort ist schwierig, die Kriterien sind nach wie vor unklar. Spezialisierten Juristen zufolge befassten sich bislang nur die ein- gangs erwähnten Gerichte näher mit der Frage – und deren Sichtweisen sind dia- metral entgegengesetzt. Wer ist ein „Auftraggeber“? Wie kommt es zu diesem „Patt“? Ein Dreh- und Angelpunkt ist die Auslegung des Begri s „Auftraggeber“ im Sinne von Paragraf 2 Satz 1 Nummer 9 SGB VI. „Dieser ist gesetzlich nicht de niert und mangels eines bestimmten juristischen und allgemeinen Sprachgebrauchs in seiner Bedeutung o en“, wie das Lüneburger Gericht in seiner Begründung vom No- vember 2022 schreibt. Das LSG Bayern stellte aber 2016 unter Berufung auf ein Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 23. April 2015 (Az. B5, B 5 RE 21/14 R) fest, dass man trotz fehlender Legalde ni- tion annehmen könne, dass der Gesetzge- ber unter Auftraggeber eine Person oder Firma meint, die „eine andere Person mit einer Tätigkeit betraut, sie ihr vermittelt oder ihr Vermarktung oder Verkauf von Produkten nach einem bestimmten Orga- nisations- und Marketingkonzept überlässt“. Daraus folgt für das LSG in dem Fall: Der Pool ist der Auftraggeber, und zwar der einzige – er sorgt für die Produkte und alle für den Vertrieb nötigen Unterlagen. Ferner war für das LSG o ensichtlich, dass der noch junge Makler, der erst am Beginn seiner Selbstständigkeit stand, wirt- schaftlich und faktisch von seinem Pool abhängig ist. „Das Gericht begründet das letztlich damit, dass es meint, der Makler könne ohne die Unterstützung durch die Vorteile, die ihm der Maklerpool bietet (Wettbewerbsvorteil durch Marktmacht des Maklerpools, administrative Tätigkeit) die Maklertätigkeit nicht erfolgreich betrei- ben und keine nennenswerten Umsätze erzielen“, fasst Wirth die Position des LSG zusammen.Das Gericht führt noch weitere Argumente an, etwa dass der Makler seine Courtagen vom Pool erhält. Das sei in der Vereinbarung so geregelt. „Das Urteil des LSG ist sehr vom Ergebnis her gedacht. » Im Moment herrscht Rechtsunsicherheit. Es gibt keine höchstrichter- liche Klärung durch das Bundessozialgericht. « Sarah Kolß, Kanzlei Michaelis fondsprofessionell.de 2/2023 445 FOTO: © KANZLEI MICHAELIS RECHTSANWÄLTE
RkJQdWJsaXNoZXIy ODI5NTI=