FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 3/2023

Frage lautet, wer auf Basis der Firmenkenn- zahlen über die kommenden Monate die beste Performance abliefern wird.“ Meist sind das klassische Geschäftszahlen wie Umsatz, Gewinnrendite, operativer Cash- ow und Verschuldung. Hinzu kommt beispielsweise die Auswertung von Analys- ten-Calls. „Die KI erfasst anhand der Äuße- rungen der Firmenvertreter und der Fragen der Analysten, ob die Finanzmarktpro s dem Unternehmen aktuell eher wohlge- sonnen sind oder nicht“, erklärt Endler. Markt- und Makrodaten wie das Wirt- schaftswachstum oder das Zinsniveau blei- ben bewusst außen vor. Insgesamt kann die KI aus rund 4.000 Aktien aus 21 Sektoren wählen. Am Ende landen die vielverspre- chendsten 50 Titel im Portfolio. Umge- schichtet wird nur jedes halbe Jahr. Nutzen in Nischen Die ebenfalls in Frankfurt ansässige Investmentboutique First Private nutzt eine KI dagegen nicht für einen breit inves- tierenden Aktienfonds, sondern für zwei Nischenprodukte. Vor gut drei Jahren ging der First Private Systematic Merger Oppor- tunities an den Start. Ziel ist es, von Spezialsituationen an der Börse zu pro tieren, die sich aus Firmenübernahmen erge- ben. „Ein Beispiel sind Merger- Arbitrage-Geschäfte“, sagt Port- foliomanager Sebastian Wenz. „Eine Aktie notiert bei 9,50 Dollar, das Übernahmeangebot beträgt aber zehn Dollar. Die KI ermittelt eine Wahrschein- lichkeit dafür, dass der Deal tat- sächlich zustande kommt, ich als Investor also 50 Cent je Aktie verdienen könnte.“ Eine wichtige Datenquelle sind die o ziellen Berichte, die bei der US-Börsenaufsicht vorzulegen sind. „Diese Dokumente verar- beitet die KI wesentlich schnel- ler als jeder Mensch“, so Wenz. Im Sommer 2022 kam der First Private Systematic Flows hinzu, dessen Ziel es ist, von sogenannten Liquiditäts-Events zu pro tieren. „Prominentestes Beispiel sind Indexänderungen“, erläutert Wenz. „Wenn etwa eine Aktie in den Dax aufgenommen wird, wollen wir uns schon vorher positio- nieren und an dem erwarteten Kursanstieg teilhaben, der sich daraus ergibt, dass plötz- lich sehr viele ETFs die entsprechende Aktie kaufen müssen. Unser KI-Modell zeigt uns, bei welchen Aktien eine Index- aufnahme am wahrscheinlichsten ist.“ Bei allen genannten Fonds, egal ob von Tungsten, Acatis oder First Private, agiert die künstliche Intelligenz streng genom- men nicht als Portfoliomanager – sie unter- breitet nur Anlagevorschläge. Das liegt al- lerdings nicht daran, dass die Investment- häuser ihrer KI nicht vertrauen würden. Sie wollen aber korrigierend eingreifen kön- nen, sollte das nötig sein, etwa aufgrund eines o ensichtlichen Datenfehlers. Hinzu kommen regulatorische Gründe. „Für einen vollautomatisierten Handel wird eine erweiterte Lizenz benötigt“, sagt Wenz. Viele andere Häuser möchten die KI dagegen aus ihrem Kerngeschäft heraushal- ten. „Portfoliomanagement zählt zu den Bereichen, die KI-basiertes Wissen nutzen können“, räumt Main rst-Fondsmanager Adrian Daniel zwar ein. Die nale Titelauswahl ist seiner Meinung nach aber deutlich besser in menschlicher Hand aufgehoben: „Dank der vielen Faktoren am Aktienmarkt und der komplexen Ver echtungen weltweit nden ständig zu viele Verschiebungen statt, die es immer wieder neu zusam- menzuführen und zu gewich- ten gilt“, gibt er zu bedenken. Wes Crill, Leiter Investment- strategien bei Dimensional Fund Advisors, sieht KI-Tools als Werkzeug, um Daten zu verarbeiten, Muster zu erken- nen und Informationen zu- sammenzufassen. Er bezweifelt aber, dass sich Portfoliomana- ger damit dauerhaft einen Vor- » Die KI verarbeitet Dokumente viel schnel- ler als jeder Mensch. « Sebastian Wenz, First Private Aufgeschlossene Fondsmanager Frage an Hedgefonds-Mitarbeiter: Nutzen Sie ChatGPT? Die meisten Hedgefonds-Kunden der französischen Großbank BNP Paribas setzen ChatGPT schon ein. Sie lassen die KI unter anderem Marketingtexte vorformulieren und Dokumente zusammenfassen. Die teilnehmenden Firmen verwalten in Summe gut 250 Milliarden Euro. Quelle:UmfragedesCapital-Introduction-TeamsvonBNPParibas imJuli2023 |39Teilnehmer Ich erwäge es 10 % Ja, beruflich 10 % Nein 10 % Ja, persönlich und beruflich 34 % Ja, persönlich 36 % MARKT & STRATEGIE Künstliche Intelligenz 128 fondsprofessionell.de 3/2023 FOTO: © FIRST PRIVATE INVESTMENT MANAGEMENT

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