FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 3/2023

Regierung die Ansiedlung von Chipfabriken. Eine gute Entscheidung? Herrmann: Die Politik sollte das Geld in Infrastruktur und Bildung stecken, damit in- und ausländische Unternehmen mehr in Deutschland investieren. Gerade wenn man ausländische Fachkräfte anlocken möchte, muss man auch die steuerlichen Rahmenbedingungen für Arbeitnehmer verbessern. Ähnliches gilt bei der Nachhal- tigkeit und in der Energiepolitik: Warum etwa importiert man Atomstrom, wenn man den mit den wohl sichersten Kraft- werken in Europa selbst produzieren könn- te? Wenn man gegen Atomstrom oder Schiefergas ist, dann ist es keine Lösung, die anderen machen zu lassen und im Aus- land teuer einzukaufen. Aber die Kritik gilt nicht nur der jetzigen Regierung. Asien gilt als Wachstumsregion der Welt. China aber hat die großen Erwartungen nach der Wiederöffnung nicht erfüllt. Graf: Chinesische Aktien sind zwar günstig, geschenkt bekommt man sie aber trotz- dem nicht. Das müsste aber fast so sein, nachdem wir in den letzten zwei Jahren gesehen haben, was dort alles möglich ist im negativen Sinne. Dass der Staat die Technologieunternehmen zu „Spenden“ in Milliardenhöhe nötigt, ist letztlich eine Enteignung der Aktionäre.Wenn man sich die politischen Rahmenbedingungen an- schaut, ist China eigentlich nicht investier- bar. Zudem ist der private Konsum extrem schwach, zu den Problemen am Immo- bilienmarkt kommt auch noch eine sehr hohe Jugendarbeitslosigkeit. Die US-Börse hat dagegen seit Jahres- anfang positiv überrascht. Sind die Wirt- schaftsaussichten dort denn tatsächlich so viel besser? Herrmann: Auch die USA haben den Auf- schwung teuer erkauft.Die Amerikaner ha- ben ein Fiskalde zit von neun Prozent und eine ausufernde Staatsverschuldung, für die sie ja zuletzt wieder von den Ratingagentu- ren abgestraft wurden.Und sie leben schon seit vielen Jahren massiv über ihre Verhält- nisse. Aber die USA locken mit dem In a- tion Reduction Act immerhin Industrie- investitionen an, schaffen Jobs und errei- chen einen echten Multiplikatoreffekt. Kommendes Jahr steht die nächste US- Präsidentschaftswahl an. Ist das eine Rich- tungswahl für das Land? Graf: Es wird auf jeden Fall übel und schmutzig. Und gerade mit den Manipu- lationsmöglichkeiten der KI wird das wis- senschaftlich gesehen hochinteressant … Herrmann: Und es wird wahrscheinlich auf dasselbe hinauslaufen wie immer: Die Märkte sind nervös, schwanken etwas, doch am Ende ist völlig egal, ob Republi- kaner oder Demokraten an der Macht sind – solange es den Unternehmen gut geht und sie machen können, was sie wollen. Die Auswirkungen werden über die Han- dels- und Zollpolitik für Europa vielleicht sogar gravierender sein als für Amerika. Was würde Ihr Gründer André Kostolany zu den heutigen Börsen sagen? Herrmann: Kostolany hat als gebürtiger Ungar immer gern von den Budapester Straßenmusikanten erzählt. Die spielten, solange sie Geld bekamen, und wenn kein Geld mehr kam, war Schluss. Mit Aktien ist es genauso: Ohne Liquidität läuft es auch an den Börsen nicht. Die Noten- banken sammeln zwar allmählich etwas Liquidität ein, aber es ist noch immer genug da, deshalb wird die Musik auch noch lange weiter spielen. Vielen Dank für das Gespräch. JOCHEN HÄGELE FP KURZ-VITA: Thomas Graf Thomas Graf verwaltet seit 2009 den Fiduka Universal Fonds I. Der zertifizierte Stiftungsmanager und Aktienexperte verfügt über internationale Investmenterfahrung und betreut seit fast 20 Jahren private und institutionelle Kunden. » Eine neue Technologie zu entwickeln und diese dann in Gewinne umzu- setzen sind zwei völlig unterschiedliche Dinge. « Thomas Graf, Fiduka FOTO: © AXEL GRIESCH FOTOGRAFIE MARKT & STRATEGIE Marco Herrmann + Thomas Graf | Fiduka 148 fondsprofessionell.de 3/2023

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