FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 3/2023

Ich fürchte schon – und speziell im Euro- raum. Auch ich kann natürlich nicht voll- kommen ausschließen, dass in den USA ein Soft Landing gelingt, von dem auch schon Jerome Powell vor einiger Zeit gesprochen hat. Allerdings spricht aus mei- ner Sicht inzwischen sogar immer mehr dagegen. Nicht nur weil weiche Landun- gen ohne eine sich anschließende Rezes- sion extrem selten sind. Wir sollten auch nicht zu gering schätzen, dass die Zinsen zuletzt massiv erhöht wurden. Aber wenn man sich die Zahlen beim Wachstum anschaut, so sprechen die doch eigentlich eine andere Sprache, zumindest in Bezug auf die amerikanischeWirtschaft. Feststellen lässt sich allenfalls, dass eine weiche Landung schon längst im Gange ist. Aber die Geschichte lehrt uns, dass das BIP-Wachstum in einem wirtschaftlichen Abschwung immer erst für eine gewisse Zeit unter seinem Langfristtrend liegt, um danach meist irgendwann zu schrumpfen – das ist dann gewissermaßen der klassi- sche Beginn einer harten Landung. Zurzeit wächst das US-BIP nur wenig, und das schon seit dem zweiten Quartal 2022. Im Euroraum ist das Wachstum sogar noch deutlich schwächer. Erfahrungsgemäß ist die Veränderung des Wachstums genauso wichtig wie das Wachstum selbst. Rezessio- nen gehen meist mit einem deutlichen Rückgang der Wachstumsrate, also einer negativen zweiten Ableitung des BIP, ein- her. Wenn das passiert, es also zu einem klassischen Wachstumseinbruch kommt, reagieren die Unternehmen meist mit Entlassungen, die Arbeitslosenquote steigt schnell, und der Konsum geht zurück. In der Regel fällt dann auch die In ation. Dann sehen Sie die USA gewissermaßen am Beginn genau dieser Entwicklung? Die aktuelle Diskussion darüber, ob wir eine weiche Landung oder eine Rezession erleben werden, vernachlässigt das Wesent- liche, nämlich die Frage, ob die weiche Landung, die wir wie gesagt gerade schon erleben, auch wirklich weich bleibt. Ein Wachstumsschock ist bisher ausgeblieben. Im vorigen Jahr betrug das US-Wachstum durchschnittlich 1,6 Prozent bei einem Langfristdurchschnitt, der bei 2,5 Prozent liegt. Nach den Bloomberg-Konsenspro- gnosen wird das Wachstum gegenüber dem Vorjahr im zweiten Quartal 2024 seinen Tiefpunkt erreichen. Man schätzt, dass es dann um etwa zwei Prozentpunkte niedri- ger sein wird als vor einem Jahr.Das würde durchaus einer klassischen weichen Lan- dung entsprechen. Aber auch wenn diese Zahlen keinen drastischen Abschwung sig- nalisieren, sollte das nicht darüber hinweg- täuschen, dass es bereits durchaus ernst zu nehmende erste Schwächezeichen gibt. Wie zum Beispiel? Die Einkaufsmanagerindizes in den USA waren zuletzt sehr instabil.Nach den jüngs- ten Daten be ndet sich zumindest das ver- arbeitende Gewerbe bereits in einer Rezes- sion. Auch der sehr viel größere Dienstleis- tungssektor wurde bereits von der Kon- junkturschwäche erfasst.Nach den US-Un- ternehmensergebnissen kaufen inzwischen mehr Verbraucher bei Discountern ein. Aber auch über den US-Tellerrand hinaus gibt es durchaus ernst zu nehmende Warn- signale. Die anhaltenden Probleme des chinesischen Immobiliensektors etwa spre- » Die Frage ist, ob die weiche Landung, die wir gerade schon erleben, auch wirklich weich bleibt. « Chris Iggo, Axa Investment Managers FOTO: © TOM BIRTCHNELL | VIVIAN BIRCH PHOTOGRAPHY fondsprofessionell.de 3/2023 157

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