FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 3/2023

chen für eine De ation in der zweitgröß- ten Volkswirtschaft der Welt, ausgelöst durch zu hohe Schulden. Und aufgrund eines schwachen Wachstums in Deutschland, hervorgerufen von zu niedrigen Investitio- nen in Produktivkapital während der ver- gangenen zehn Jahre, macht schon wieder das Bild vom „kranken Mann Europas“die Runde. Nicht zuletzt schadet der Teilaus- schluss Russlands aus der Weltwirtschaft nicht nur Putin, sondern könnte mit Be- ginn des Winters auch Auswirkungen auf die Weltmarktpreise für Rohstoffe haben. Ignorieren dann andere Ökonomen einfach solche Argumente, wenn sie zum Teil von noch in diesem Jahr schon wieder sinken- den Zinsen in den USA ausgehen? Ich glaube, dass allzu positive Erwartungen aufgrund eines zuletzt rückläu gen Trends bei der In ation und nach wie vor günstig erscheinenden Wirtschaftsdaten auf einem Missverständnis oder besser gesagt einer Illusion in Bezug auf ein höheres nomina- les Wachstum beruhen. In ation an sich führt naturgemäß zu steigenden Preisen, und steigende Preise führen zu nominal höheren Einnahmen für Unternehmen. Gleichzeitig sind auch die Löhne gestiegen. Das hat dazu geführt, dass viele Leute der irrigen Annahme unterliegen, dass sie auch unter realer Betrachtung über mehr Geld verfügen. Eine solche Konstellation haben wir seit mehr als 20 Jahren nicht mehr erlebt. Und manche Ökonomen haben regelrecht vergessen oder verdrängt, wie diese Konstellation zu modellieren ist. Aber das ist nicht der einzige Grund für das Missverständnis oder die Illusion, von denen ich eben gesprochen habe. Was noch? Ich würde es eine Art inhärente Resilienz nennen, die sich vermeintlich herausgebil- det hat. Die Covid-Pandemie hat sowohl die Unternehmen, aber auch die Haushalte in den Jahren 2020 und 2021 vor nicht zu unterschätzende Herausforderungen ge- stellt, die aber im Prinzip gemeistert wer- den konnten. Unterm Strich haben viele Unternehmen ihre Bilanzen gestärkt, und Verbraucher zehren davon, dass sie wäh- rend der Pandemie enorme Ersparnisse aufgebaut haben, die ihre Ausgaben jetzt noch stützen.Das führt zu der trügerischen Annahme, es gebe so etwas wie eine einge- baute Widerstandsfähigkeit, mit der sich auch eine Zeit überstehen lässt, in der schon so oft eine Rezession ausgerufen wurde wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Dann wird es also nichts mit sinkenden US-Zinsen noch in diesem Jahr? Auch wenn die Arbeitslosenquote im August um wenige Nachkommastellen leicht gestiegen ist auf einen bereinigten Wert von 3,8 Prozent und die Zahl der offenen Stellen bereinigt unter den Erwar- tungen lag: Solange diese wichtigen Kenn- zahlen sich nicht drastisch verschlechtern, werden sich die Federal Reserve, aber auch andere Notenbanken mit Zinssenkungen weiter zurückhalten. Wir wissen aber auch, dass das nicht bedeuten muss, dass sich auch die Kurs- findung an den Märkten davon beeinflus- sen lässt. Hier wirkt doch die Fantasie zurückgehender Zinsen nach wie vor? Nach meiner Erwartung werden auch in den Anleihenkursen keine niedrigeren Leit- zinsen berücksichtigt werden. Ohnehin fal- len die Zinsen in der Phase einer weichen Landung, in der wir uns aktuell noch be- nden, nicht so stark wie in einer Rezes- sion. Im Schnitt rechnen die meisten Marktakteure also mit höheren Kurzfrist- zinsen, als das bei einer schrumpfenden Wirtschaft der Fall wäre, was gleichzeitig zu einer höheren Laufzeitprämie für die Lang- fristrenditen führt. Deshalb sind ja die Staatsanleihenrenditen in den USA wie auch anderen Ländern im Sommer gestie- gen. Und nicht ohne Grund halten sich Anleger bei Langläufern noch zurück. Zwar hat der Ausverkauf am Anleihen- markt während der ersten drei August- » Viele Leute unterliegen der irrigen Annahme, dass sie auch unter realer Betrachtung über mehr Geld verfügen. « Chris Iggo, Axa Investment Managers FOTO: © TOM BIRTCHNELL | VIVIAN BIRCH PHOTOGRAPHY MARKT & STRATEGIE Chris Iggo | Axa IM 158 fondsprofessionell.de 3/2023

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