FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 3/2023

wochen für einen besseren Einstiegszeit- punkt gesorgt, aber auch die meisten Inves- toren wissen sehr genau, dass Enttäuschun- gen weiterhin nicht auszuschließen sind. Gilt das auch für Europa? Sogar noch sehr viel stärker. Denn anders als in den USA tendieren in Europa die Chancen, sich einer Rezession zu entzie- hen, gewissermaßen gegen null. Zu groß sind die Auswirkungen einer wirtschaft- lichen Abschwächung Chinas auf eine be- deutende Volkswirtschaft wie Deutschland, die insbesondere von ihrem Exportwachs- tum abhängt. Zudem hat der Energiepreis- schock die europäische Wirtschaftstätigkeit insgesamt sehr viel stärker in Bedrängnis gebracht. Und nicht zuletzt zeigt sich auch die Finanzpolitik wieder straffer in einer Situation, da man sich um eine Wieder- belebung des Stabilitäts- und Wachstums- paktes bemühen muss. Daher dürfte die EZB sogar noch restriktiver vorgehen als die Fed, letztlich wird die Zinsänderung auf dem Alten Kontinent insgesamt wahr- scheinlich ähnlich hoch ausfallen wie in den USA, auch wenn sie von einer niedri- geren Basis ausgeht.Und das wird nicht zu- letzt auch dem europäischen Anleihen- markt Liquidität entziehen. Was würden Sie tun, wenn Sie Fondsmana- ger wären und nicht CIO? Ich würde mir auf jeden Fall vergegen- wärtigen, dass sich im Moment sehr viele Investoren mit dem unzweifelhaft kompli- zierten Zusammenhang zwischen Wachs- tum und In ation in den USA und den Auswirkungen auf die Geld- und Fiskal- politik auseinandersetzen. Und ich würde mir vor Augen halten, dass schwarze Schwäne immer möglich sind. Zusam- mengenommen macht das insbesondere Geldmarktanlagen weiterhin attraktiv. Wäre ich ein Vermögensmanager, der zu 20 bis 25 Prozent in Liquidität investiert ist und damit in US-Dollar fast 5,5 Prozent und in Euro bis zu vier Prozent verdient, würde ich mich fragen, ob jetzt tatsächlich schon der Zeitpunkt für eine Umschich- tung in risikoreichere Titel gekommen ist. Aber wie lautet Ihre Antwort? Ehrlich gesagt: Nein, noch nicht. Denn es gibt nicht viele wirklich günstig bewertete Papiere. Britische Langläufer vielleicht. High-Yield-Anleihen sind zwar nicht beson- ders günstig, ihre Kupons bieten aber immerhin eine ansehnliche Rendite. Invest- ment-Grade-Anleihen sind zwar attraktiv, aber ihre Spreads sind nicht wirklich aus- geprägt genug. Mittelfristig erscheint die Assetklasse nur wegen der hohen risiko- losen Zinsen interessant. Und wie sieht es auf der Aktienseite aus? Auch Aktien sind aktuell alles andere als günstig. Und solange ein großer Ab- schwung ausbleibt, darf man auch keine starke Erholung erwarten. Dann zählt allenfalls der laufende Ertrag. Daher ist es wichtig, weiterhin auf Qualitätstitel zu set- zen und langfristig zu agieren. Die Ergeb- nisse, die Unternehmen wie Nvidia in den USA und NXP Semiconductors in den Niederlanden im zweiten Quartal erzielt haben, lassen vermuten, dass das Thema künstliche Intelligenz selbst bei einer schwächeren Konjunktur für Gewinne sor- gen kann. Insgesamt aber fällt es derzeit schwer, sich zu einer höheren Aktienquote durchzuringen. Langfristig spricht natür- lich vieles für Aktien, aber man muss mit ihnen in den nächsten Jahren schon mehr verdienen als den risikolosen Zins von vier bis fünf Prozent. Danke für das Gespräch. HANS HEUSER FP KURZ-VITA: Chris Iggo Auf eine fast 35-jährige Erfahrung in der Investment- industrie blickt Chris Iggo zurück. Vor seinem Antritt bei Axa Investment Managers im Jahr 2008 hat er fünf Jahre die Investmentstrategie von Cazenove Fund Management geleitet. Davor hat er für Barclays Capital und die Chase Manhattan Bank gearbeitet. » Solange ein großer Ab- schwung ausbleibt, darf man auch keine starke Erholung erwarten. « Chris Iggo, Axa Investment Managers FOTO: © TOM BIRTCHNELL | VIVIAN BIRCH PHOTOGRAPHY MARKT & STRATEGIE Chris Iggo | Axa IM 160 fondsprofessionell.de 3/2023

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