FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 3/2023

vereinbarungen oder über Mietverzichte. Da gab es keine Pauschallösungen, das waren alles Einzelfallentscheidungen. Das- selbe gilt für die Durchsetzbarkeit von Indexklauseln. Man muss jeweils überle- gen, ob es einem die Vertragspartei wert ist, Zugeständnisse zu machen und welche Sicherheiten sie bieten kann. Es kommt darauf an, wie stabil man das Geschäfts- modell des Mieters einschätzt und die Möglichkeit, dass er Mietschulden später ausgleichen kann. Also durchsetzbar oder eher nicht? Für unsere drei Publikumsfonds, in denen wir mit Mietsicherungsklauseln arbeiten, haben wir das für das vergangene Jahr mal ausgewertet: Wir konnten über 60 Millio- nen Euro Mehrertrag aus den Wertsiche- rungsklauseln generieren, für dieses Jahr er- warten wir einen Mehrertrag oberhalb 40 Millionen. Wir haben bonitätsstarke Mie- ter, bei denen die Mietbelastung lediglich fünf bis acht Prozent ihrer Gesamtkosten ausmacht. Wenn sich zugleich der Markt- mietzins insgesamt erhöht und es keine Al- ternativen gibt, dann muss man wegen der In ation keine Zugeständnisse machen. Wie beurteilen Sie, dass die Nettomittel- zuflüsse in offene Immobilienfonds rück- läufig sind? Anleger haben wieder Alternativen, sie können sich derzeit über zinstragende Pro- dukte ebenfalls Renditen im Bereich von drei bis vier Prozent sichern. Wir erfreuen uns noch positiver Zu üsse, sind also handlungsfähig, wenngleich auch bei uns das Mittelaufkommen deutlich geringer ist als bisher. Sie können Produkte aber nicht nur auf der Performanceseite vergleichen. Anleger offener Immobilienfonds pro tie- ren von der Teilfreistellung: 60 Prozent der Erträge – wenn ein Fonds überwiegend im Ausland investiert ist, sogar 80 Prozent – können steuerfrei vereinnahmt werden. Be- zieht man das in die Betrachtung mit ein, wird der Spread zu einer voll zu versteuern- den Anlage schon deutlich geringer. Außer- dem, und das hat sich die letzten Jahre immer wieder gezeigt, ist der offene Immo- bilienfonds ein resilienter und mit anderen Kapitalmärkten wenig korrelierter Vermö- gensbaustein. Er kann seinem Ruf als Fels in der Brandung jederzeit gerecht werden. Wird das Nettomittelaufkommen Ihrer Einschätzung nach auch in Zukunft positiv bleiben? Oder entwickeln Sie bereits Stressszenarien? Es wäre fahrlässig, wenn wir keine Stress- szenarien entwickeln würden. Das ist auch aufsichtsrechtlich geboten, dass wir jeder- zeit Stressszenarien für alle möglichen The- men entwickeln. Aber im Moment ist die Liquiditätssituation unserer Fonds absolut ausreichend. Durch das KAGB wurden Sicherheitsmechanismen standardisiert, die uns die Möglichkeit geben, frühzeitig zu reagieren – sowohl mit Blick auf Rück- gabewünsche als auch auf Vertriebsaktivitä- ten. So haben wir beispielsweise Mitte des Jahres vom phasenweisen Vertrieb von Kontingenten auf einen komplett offenen Vertrieb umgestellt. Bis vor etwa zehn Jahren waren Immobi- lienfonds allein auf die Nutzungsart Büro fokussiert. Das öffnete sich dann zu Woh- nungen und ging schnell auch in alle mög- lichen anderen Nutzungsarten hinein.Wäh- rend der Niedrigzinsphase entwickelte sich das auch alles recht unproblematisch. Seit Corona zeigt sich jedoch eine höchst unter- schiedliche Krisensensibilität der Nutzungs- arten.Wie lautet Ihre Antwort als Portfolio- manager darauf? Sie müssen sowohl fokussieren als auch diversi zieren! Eine zentrale Rolle in unse- ren Fondsportfolios spielen die vier Nut- zungsarten Büro, Einzelhandel, Hotel und Logistik.Wir sind vor allem in den jeweili- gen Core-Märkten unterwegs. Im Segment Büro heißt das: Fokussierung auf qualitativ hochwertige Lagen und exible Ausgestalt- » Sie können Produkte nicht nur auf der Performanceseite vergleichen. « Carsten Thiel, Union Investment FOTO: © OHLIGSCHLÄGER | UNION INVESTMENT SACHWERTE Carsten Thiel | Union Investment 212 fondsprofessionell.de 3/2023

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