FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 3/2023
ger Garantie ungefähr einen Prozentpunkt mehr Fondsanlage“, hat Jochen Ruß be- rechnet, Geschäftsführer des Instituts für Finanz- und Aktuarwissenschaften (siehe FONDS professionell 2/2023, Seite 272). Die Diskussion um die Leistungsfähig- keit der Altersvorsorgesysteme stand auch im Blickpunkt der Jahrestagung 2023 der Aktuare in Dresden, vor allem die In ation. „Die In ation ist wichtig in der Altersvorsor- gebetrachtung, der Realzins ist aber wichti- ger“, relativiert Maximilian Happacher, Chef der Deutschen Aktuarvereinigung (DAV), im Hauptberuf Vorstand Lebensversiche- rung der Ergo International. Die Versor- gungslücke werde bei negativem Realzins größer und Altersvorsorge damit teurer. Dass das System angesichts wachsender de- mogra scher Probleme letztlich scheitern werde, wollte die DAV so nicht bestätigen. Als Mathematiker halte man sich traditio- nell an berechenbare Trends und Fakten. Unkonventioneller Vorschlag In der betrieblichen Altersversorgung (bAV) gibt es noch viele Baustellen. Selbst die dringend nötige Abscha ung der 100- Prozent-Garantie gelang bisher nicht.Mehr Verbreitung der bAV mit ihren Vorzügen sei gerade in Klein- und Mittelbetrieben nötig, doch das Gesamtbudget der Firmen ist begrenzt,warnt DAV-Vizeche n Susanne Adelhardt. Dadurch sei die derzeitige Aus- gestaltung der bAV nicht generationenge- recht.Die DAV schlägt etwas Unkonventio- nelles vor: Von den alten bAV-Zusagen soll- te etwas abgezweigt werden zugunsten der Jungen. Das Arbeitsrecht steht aber dage- gen, da arbeitsrechtliche Zusagen für die gesamte Dauer gelten – eine Anpassung nach unten scheint kaum möglich. Eine Lösung, die das System stabilisiert, ist an dieser Stelle daher nicht in Sicht. Einen stärkeren Förderansatz verfolgt der Versichererverband GDV mit seiner „Bür- gerrente“ in der privaten Altersversorgung, die einfacher und renditestärker sein soll als die Riester-Rente. Im Kern ist vorgesehen, dass auf jeden in die Bürgerrente eingezahl- ten Euro zusätzlich eine Förderung von 50 Cent kommt. Die förderfähigen Beiträge sollen auf vier Prozent der Beitragsbemes- sungsgrenze der gesetzlichen Rentenversi- cherung begrenzt werden. Eine höhere Rendite soll erreicht werden, indem das Garantieniveau von 100 auf 80 Prozent ab- gesenkt wird. Somit könnten die Beiträge am Kapitalmarkt gewinnbringender ange- legt werden, argumentiert der GDV. Um den Beratungsaufwand gering zu halten, soll die Bürgerrente in hohem Maße stan- dardisiert sein und auch digital vertrieben werden können, erklärt Gerhard Müller, Vi- zevorsitzender des GDV-Präsidialausschus- ses Altersvorsorge und Zukunftssicherung. Entsteht damit womöglich eine Konfronta- tion mit dem klassischen Vertrieb? Müller antwortet diplomatisch: „Laut Allensbach- Umfrage ist fast 60 Prozent der Befragten besonders wichtig, gut beraten zu werden.“ Die Kalkulation erfolge unternehmensindi- viduell. Ziel sei, durch weniger Aufwand für Beratung und Verwaltung ein „ähnlich niedriges Kostenniveau wie in der betrieb- lichen Vorsorge“ zu erreichen. „Geförderte Altersarmut“ Ob die Politik den GDV-Vorschlag auf- greift, ist o en. Die Richtung jedenfalls stimmt: Die vomBundes nanzministerium (BMF) eingesetzte „Fokusgruppe private Altersversorgung“ schlägt beispielsweise vor, die Garantieanforderung unter anderem für fondsgebundene Produkte abzuschaf- fen (siehe auch den Beitrag ab Seite 436). Dennoch bleiben Ungereimtheiten. DAV- Chef Happacher stört sich etwa daran, dass zeitlich befristete Auszahlungspläne bald einer lebenslangen Rente gleichgestellt wer- den sollen. „Das würde bedeuten, den zen- tralen Kerngedanken von Altersvorsorge aufzugeben, denn die Finanzierung der Lebenshaltung zur Vermeidung von Alters- armut kann nur durch eine lebenslange Rente erreicht werden“, mahnt er. Der Vor- schlag liefe darauf hinaus, dass viele Rent- ner plötzlich kein Geld mehr haben, weil sie ein Auszahlungsmodell gewählt haben, das nicht lebenslang garantiert ist. „Dies käme staatlich geförderter Altersarmut gleich“, warnt der Aktuar. Wie groß der nächste Wurf der Politik ausfällt, steht in den Sternen.Das BMF will nach eigenem Bekunden 2024 einen kon- kreten Reformvorschlag erarbeiten. Wie es mit Blick auf die bAV weitergeht, ist zeit- lich noch völlig unklar.Nach Abschluss des „Fachdialogs zur bAV“unter Federführung des BMAS werden die aktuell noch nicht verö entlichten Ergebnisse ausgewertet. „Ob sie in einem eigenständigen Gesetz- entwurf umgesetzt werden, ist noch o en“, antwortet das Ministerium auf Nachfrage. Viele der diskutierten Baustellen im Ar- beits-, Finanzaufsichts- und Steuerrecht wer- den jedoch gar nicht angepackt, ist aus Teil- nehmerkreisen zu hören. Die deutschen Altersvorsorgesysteme testen wohl weiter ihre Grenzen aus. DETLEF POHL FP » Bei der Bürgerrente soll ein ähnlich niedriges Kostenniveau wie in der bAV erreicht werden. « Gerhard Müller, GDV FONDS & VERSICHERUNG Altersvorsorge 260 fondsprofessionell.de 3/2023 FOTO: © NEWPIC.EU | OFFENBLEN.DE | GESAMTVERBAND DER DEUTSCHEN VERSICHERUNGSWIRTSCHAFT E.V. GDV
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