FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 3/2023

mehreren Komplikationen: Das Vertrauen in den Geldkreislauf schwindet, wenn Cash seine Zahlfunktion verliert. Außer- dem könnten einige wenige große private Anbieter die Konditionen diktieren. Auch die Privatsphäre steht auf dem Spiel: Im Datenzeitalter haben kommerzielle Dienste hohes Interesse an der Verwertung von Zahlungsströmen. Nicht umsonst steigen Konzerne wie Google, Facebook und an- dere „Big Techs“ ins Zahlungsgeschäft ein. Strategische Autonomie Das wiederum vertieft existierende stra- tegische Problemzonen in Europa: Bereits jetzt „dominieren außereuropäische Anbie- ter (…) die Karten- und Mobile-/Online- zahlungen. Zudem sind diese Anbieter die einzigen, die grenzüberschreitende Euro- Transaktionen innerhalb der Währungs- union ermöglichen“, schreibt Heike Mai von Deutsche Bank Research in einer Ana- lyse. „Die bisher einzige ,europäische Lö- sung‘, die in der gesamten Union funktio- niert, ist das Euro-Bargeld“, so Mai. Genau diese Kon ikte wollen die Noten- banker mit dem digitalen Euro lösen: Er soll die strategische Autonomie Europas stärken und Bürgern Anonymität an „un- baren“Märkten bieten. „Die EZB hat kein Interesse an den Daten der Nutzer“, beton- te Evelien Witlox, die das entsprechende Projekt der EZB leitet, unlängst bei einer Konferenz der Oesterreichischen National- bank (OeNB) in Wien. Im Oktober ent- scheidet die EZB, ob sie eine nächste Pro- jektstufe einleitet. Basis ist ein Gesetzesvor- schlag für einen möglichen digitalen Euro der EU-Kommission aus dem Juni. Laut diesem Plan soll der digitale Euro in der gesamten Währungszone grenzüberschrei- tend gelten – auch für Menschen ohne Bankkonto. Er wäre o ine (etwa auf der Berghütte ohne WLAN) genau so einsetz- bar wie online. Damit wäre es erstmals möglich, im E-Commerce mit Zentral- bankgeld zu zahlen, wie Witlox sagte. Voraussichtlich darf eine Person maximal 3.000 Euro in digitalem Bargeld halten, wie es inWien hieß: Würden die Bürger zu vie- le Einlagen umwandeln, könnten die Ban- ken ins Wanken geraten, die das Geld ja in ihrem Finanzierungskreislauf brauchen. Wie bei der Veranstaltung klar wurde,müs- sen noch viele Praxisfragen gelöst werden. Zum Beispiel jene, wie anonym das digita- le Cash wirklich sein soll. Thomas Egner, Generalsekretär der EU-Bankenaufsicht EBA, sagte etwa, dass eine gewisse Daten- analyse zur Betrugsbekämpfung sinnvoll wäre. Auch die O ine-Speichertechnolo- gie (wahrscheinlich auf einer Karte) ist zu klären. Abwickeln sollen alles die Banken: Neben den Euro-Einlagen würden Kun- den im Onlinebanking auch ihre Zentral- bankguthaben sehen. Händler sollen an Banken Gebühren zahlen, wenn auch limi- tiert und deutlich weniger als bei existieren- den Diensten, wie die Beteiligten betonen. EDITH HUMENBERGER-LACKNER FP Fast alle Notenbanken arbeiten an digitalem Zentralbankgeld Digitales Zentralbankgeld (CBDC, Central Bank Digital Currency) rund um den Globus Die Bahamas gaben als erstes Land eine CBDC aus, den „Sand Dollar“. Drei weitere Notenbanken haben digitales Bargeld im Umlauf: Jamaika, die Ostkaribische Zentralbank und Nigeria („eNaira“). Über 90 Prozent der Staaten sondieren Projekte. Quelle:Auer,R.,G.CornelliandJ.Frost (2023), „Riseof theCentralBankDigitalCurrencies“, InternationalJournalofCentralBanking, forthcoming Bahamas Hong Kong Jamaika Singapur Ostkaribische Zentralbank Retail-CBDC bereits im Umlauf Retail-Pilotprojekt läuft Retail-Pilotprojekt abgeschlossen Sondierung Retail- und Business-Projekt Sondierung Retail-CBDC Business-Projekte Keine Angaben Projektphase: Digitales Geld » Die EZB hat kein Interesse an den Daten der Nutzer. « Evelien Witlox, EZB fondsprofessionell.de 3/2023 445 FOTO: © PRIVAT WITLOX

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