FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 4/2023

Andreas Hackethal von der Universität Frankfurt erforscht, auf welcher Grundlage Menschen Finanzentscheidungen treffen. Im Interview erklärt er, wie sich die Finanzbildung der Bundesbürger verbessern ließe – und was eine neue App dazu beitragen kann. A ndreas Hackethal ist Professor für Finanzen am House of Finance der Frankfurter Goethe-Universität. Er leitet das „Pension Finance Lab“ am Leibniz-Institut SAFE und ist unter anderem Co-Direktor des Centers for Financial Studies. In seiner Forschung widmet er sich auch der Frage, wie die Finanzbildung von Verbrauchern verbessert werden kann. Darüber sprach er mit FONDS professionell. Herr Hackethal, bevor wir über finanzielle Bildung sprechen, sollten wir definieren, was wissenschaftlich unter diesem Begriff überhaupt zu verstehen ist. Könnten Sie das bitte erläutern? Andreas Hackethal: Natürlich. Ganz strikt ist darunter Finanzwissen zu verstehen, doch diese De nition ist viel zu eng. Zur Finanz- bildung gehören auch Kompetenzen, die Menschen dazu befähigen, gute Finanz- entscheidungen zu treffen und sie in die Tat umzusetzen. Nicht zuletzt kommt eine Einstellung hinzu, eine generelle Sicht auf das Thema Geld und Finanzen. Schließlich kann mir klar sein, wie etwa der Aktien- markt funktioniert. Ich kann auch über das Wissen verfügen, wie man bei einem On- linebroker Aktien kauft. Wenn meine Ein- stellung zur Börse aber negativ ist, dann in- vestiere ich trotzdem nicht. Finanzbildung ist also die Kombination aus Wissen, Fähig- keiten und einer Haltung, die der eigenen nanziellen Gesundheit zuträglich ist. Eine Untersuchung des International Net- work on Financial Education der OECD aus dem Jahr 2020 hat unter anderem erge- ben, dass knapp die Hälfte der erwachse- nen Deutschen den Zinseszinseffekt nicht versteht. Das ist erschreckend, anderer- seits könnte man etwas provokant auch sagen: „Was soll’s? Auch diese Bundesbür- ger kommen ja irgendwie durchs Leben.“ Warum ist finanzielle Bildung aber wichtig? Jetzt sprechen wir über zwei Themen. Lassen Sie uns zunächst einmal betrachten, wie es um das Finanzwissen der Bürge- rinnen und Bürger tatsächlich bestellt ist. Befragungen zu diesem Thema gibt es schon lange. Und sie kommen regelmäßig zum Ergebnis, das Finanzwissen der Bun- desbürger habe große Lücken. Das klingt dann jedes Mal fast alarmistisch.Nun muss man eines wissen: Bei diesen Erhebungen werden je nach Variante nur drei oder sieben standardisierte Fragen gestellt, eine davon ist die nach dem Zinseszins. Es wird also spezi sches Finanzwissen abgefragt, das dann international verglichen wird. Und interessanterweise ndet sich Deutsch- land hier immer unter den Top fünf welt- weit. Tatsächlich? Ja, schließlich geht es bei diesen Fragen um reines Schulwissen.Wir haben vier Kinder, und in der achten oder neunten Klasse ist im Fach Mathematik der Zinseszins ein Thema. Ich glaube, es gibt hierzulande kei- ne Schule, in der das nicht gelehrt wird. Natürlich vergisst man einmal erworbenes mathematisches Wissen auch wieder, das gilt gerade für den Zinseszinseffekt. Dies liegt daran, dass der Mensch linear gepolt „Zur Finanzbildung gehört viel mehr als nur Wissen “ » Finanzbildung muss zur richtigen Zeit, also in einem sogenannten ›Teachable Moment‹, erfolgen. « Andreas Hackethal, Universität Frankfurt VERTRIEB & PRAXIS | SPEZIAL FINANZBILDUNG Andreas Hackethal | Universität Frankfurt 330 fondsprofessionell.de 4/2023

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