FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 4/2023

ist. Mit dem Exponentiellen haben wir Probleme, da es unserer Intuition zuwider- läuft. Aber gelehrt werden nanzielle Grundzusammenhänge in der Schule sehr wohl. Interessant ist jedoch die Frage, warum nanzielle Bildung – und ich mei- ne nicht nur nanzielles Wissen – über- haupt wichtig ist. Warum ist sie wichtig? Weil Menschen mehr und mehr langfris- tige Finanzentscheidungen selbst treffen müssen, da sich das Rentensystem ändert. Gerade junge Menschen müssen zusätzlich zur gesetzlichen Rente private oder betrieb- liche Altersvorsorge betreiben. Damit geht die Verantwortung, Finanzentscheidungen mit weitreichender Wirkung zu fällen, im- mer stärker auf den Einzelnen über.Gleich- zeitig verändern sich die Erwerbsbiogra en, das wirtschaftliche Umfeld wird volatiler. Sie leiten das „Pension Finance Lab“ am Leibniz-Institut SAFE. Dort untersuchen Sie unter anderem, wie es gelingen kann, Menschen dabei zu unterstützen, bessere Finanzentscheidungen zu treffen.Wie kann das funktionieren? Lassen Sie uns noch einmal festhalten: Zur Finanzbildung gehört neben Wissen auch die Fähigkeit, Kenntnisse in die Praxis um- zusetzen, zudem die eigene Einstellung. Damit eine solche Finanzbildung entste- hen kann, sind drei Aspekte erforderlich: der richtige Moment, die Art der Darrei- chung und das Persönliche. Das müssen Sie näher erläutern. Gern. Zunächst einmal muss Finanzbil- dung zur richtigen Zeit, also in einem so- genannten „Teachable Moment“, erfolgen. Dieser fällt aber in der Regel nicht in die Schulzeit. Er ist erst gegeben, wenn Men- schen ein Problembewusstsein für Finanz- fragen haben und daher für entsprechende Informationen auch erreichbar sind. Gut, und worum geht es bei der Frage der Darreichung? Es geht darum, über welche Kanäle man Wissen am besten vermittelt. Die Lernfor- schung hat gezeigt, dass sich Menschen nur an wenig von dem erinnern, was sie gele- sen haben. Wird ein Video angeschaut, bleibt schon mehr hängen. Die nächste Stufe ist das erfahrungsorientierte Lernen, also Learning by Doing. Und noch einmal besser ist es, wenn ich in die Rolle versetzt werde, anderen das Erlernte zu erklären. Der dritte Aspekt, der nun noch hinzu- kommt, ist das Persönliche, die individuelle Komponente. Warum das? Eine Aktie ist doch für alle gleichermaßen eine Aktie. Schon, aber das Lernen klappt dann am besten, wenn es personenbezogen ist. Finanzbildung funktioniert also optimal, wenn sie sich auf ein Thema bezieht, das mich direkt angeht, auf meine ganz per- sönliche Situation zugeschnitten ist. Könnten Sie ein konkretes Beispiel geben, das die drei Aspekte des optimalen finan- ziellen Lernens veranschaulicht? Nehmen wir an, ich weiß, dass ich bisher wenig für meine Altersvorsorge getan habe. Nun kommt nach fünf Jahren im Berufs- » Der Berater als ›Money Doctor‹ unterstützt seine Kunden dabei, die psychologischen Barrieren rund um Finanzentscheidungen zu mindern. « Andreas Hackethal, Universität Frankfurt FOTO: © UWE DETTMAR I UNIVERSITÄT FRANKFURT fondsprofessionell.de 4/2023 331

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