FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 4/2023

lich können sie nun in nur einem Verfah- ren Schadenersatz erlangen“, sagt Mattil. Sonst kann er der Abhilfeklage nur wenig abgewinnen. Doch um zu verstehen, wo- ran genau sich die Kritik mancher Rechts- experten entzündet, ist es gut, einen Blick auf die Voraussetzungen und den Ablauf einer Verbandsklage zu werfen. Das VDuG sieht vor, dass nur Verbrau- cherverbände eine Abhilfeklage anstrengen dürfen, die bestimmte Voraussetzungen erfüllen (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 VDuG).Darin äh- nelt die Verbands- der Musterfeststellungs- klage. Das Bundesjustizamt führt eine Liste der zugelassenen Verbände. Quali zierte Einrichtungen, die im Verbandsklage- verzeichnis der Europäischen Kommission eingetragen sind, können in der EU auch grenzüberschreitend klagen. Damit eine Abhilfeklage eingereicht wer- den kann, muss ein Verband 50 gleicharti- ge Ansprüche von Verbrauchern geltend machen. Zuständig für die Sammelklage der neuen Art sind die Oberlandesgerichte. Ist eine Verbandsklage zulässig, erö net das Bundesamt für Justiz ein Klageregister, in das sich Verbraucher mit gleichartigen Ansprüchen eintragen können. Wer sich an einer Abhilfeklage beteiligt, kann nicht mehr separat gegen das betre ende Unter- nehmen klagen. Aber: Anders als bei der Musterfeststellungsklage und bei einem KapMuG-Verfahren ist es möglich, von der Sammelklage zurückzutreten und dann selbst den Rechtsweg zu beschreiten. Gelangt das Gericht zu der Au assung, dass die Klage berechtigt ist, erlässt es zu- nächst das sogenannte Abhilfegrundurteil und fordert die Parteien auf, einen Vergleich zu nden.Werden sie sich nicht einig, folgt das Abhilfeendurteil. Für die Umsetzung der Entscheidung werden Sachwalter be- stimmt, die das erstrittene Geld nach den Vorgaben des Endurteils auf die Teilneh- mer der Sammelklagen verteilen. Die Schwachpunkte Gerade im Vergleich zu den komplizier- ten KapMuG-Verfahren, die sich zuweilen über Jahrzehnte hinziehen, mutet die Ab- hilfeklage praktisch an. Doch bei genaue- rem Hinsehen hat das Instrument seine Schwachpunkte. Anwalt Mattil stößt sich vor allem daran, dass wie bei der Musterfeststellungs- auch bei der Abhilfeklage lediglich quali zierte Verbände für eine Vielzahl von Verbrau- chern in den Ring steigen dürfen. „Damit sind mutmaßlich Geschädigte auch bei der neuen Sammelklage vom Willen der Ver- bände abhängig“, sagt der Experte. » Mutmaßlich Geschädigte sind auch bei der neuen Sammel- klage vomWillen der Verbände abhängig. « Peter Mattil, Mattil & Kollegen KapMuG in Kürze: Das Wichtigste im Überblick Das Gesetz: Das Kapitalanleger-Muster- verfahrensgesetz (KapMuG) ist in seiner ersten Fassung im August 2005 in Kraft getreten. Hin- tergrund der Einführung waren rund 16.000 gleich gelagerte Verfahren von Aktionären gegen die Deutsche Telekom. Nach verschiedenen Änderun- gen gilt die Fassung des Gesetzes vom 21. Juli 2019. Die Gründe: Ein KapMuG-Verfahren kommt infrage, wenn eine Vielzahl von Anlegern Scha- denersatzansprüche aufgrund von mutmaßlich falschen, irreführenden oder unterlassenen Kapi- talmarktinformationen eines Unternehmens gel- tend macht. Klagebefugnis: Klagebefugt sind Privat- anleger, institutionelle Anleger und Unternehmen aller Art. Sie müssen sich von einem Anwalt vertreten lassen. Voraussetzung: Für die Beantra- gung eines KapMuG-Verfahrens muss dem zuständigen Landgericht ein erster Kläger genannt werden. Innerhalb von sechs Monaten müssen sich neun weitere Kläger mit gleich gerichteten Ansprüchen finden. Nur dann kommt die Eröffnung eines KapMuG-Verfahrens in Betracht. Das Verfahren: Sind alle Voraussetzungen erfüllt, kann das zuständige Landgericht per Vor- lagebeschluss ein KapMuG-Verfahren vor dem Oberlandesgericht (OLG) einleiten. Das OLG be- stimmt einen Musterkläger. Steht dieser fest, wird das Verfahren eröffnet, bundesweit werden alle weiteren Klagen mit identischem Inhalt ausge- setzt, neue Klagen sind nicht möglich. Das OLG prüft während des Verfahrens die im Vorlagebeschluss aufgeführten Feststel- lungsziele und entscheidet darüber. Das Urteil: Ergeht ein Urteil zuguns- ten des Musterklägers, so besagt dieses lediglich, dass die Feststellungsziele erfüllt sind. Es sagt nichts über die Höhe des Anspruchs auf Schadenersatz aus. Die un- terlegene Beklagte kann allen Klägern einen Ver- gleich anbieten. Geschieht das nicht, muss jeder einzelne Kläger vor dem zuständigen Landgericht seinen individuellen Schadenersatzanspruch gel- tend machen, was aber nicht schwierig ist. fondsprofessionell.de 4/2023 439 FOTO: © MATTIL & KOLLEGEN

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