FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 4/2023

Gar keine Stimmung mehr Demos vor der Halle und glühende Reden im Saal: Das gibt es nicht, wenn Hauptversammlungen virtuell abgehalten werden. Kleinanleger und Großaktionäre üben Kritik. A ls am 15. Juni 2023 um kurz nach 10 Uhr die Kamera angeht, ist es schon fast Routine: Karl von Rohr, der Aufsichtsratsvorsitzende der DWS, begrüßt die Aktionäre zur Hauptversammlung der Fondstochter der Deutschen Bank – je- doch rein virtuell. Von Rohr, DWS-Chef Stefan Hoops und weitere Mitglieder der Geschäftsführung sitzen in einem Studio, die Aktionäre folgen der Veranstaltung und stellen ihre Fragen per Video. Dieses Format ist in der Corona-Pande- mie als Ersatz für Präsenzveranstaltungen aufgekommen.Doch manche Aktiengesell- schaften, darunter die DWS, führen das Format auch nach dem Ab auen der Pandemie fort. Die Corona-Ausnahme in einen Dauerzustand zu überführen, erlaubt ihnen ein Gesetz der Bundesregierung. Auf der virtuellen Hauptversammlung der DWS löst das bei Aktionärsvertretern Unmut aus. So wettern die Sprecher von Organisationen wie der Deutschen Schutz- vereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) oder der Schutzgemeinschaft der Kapital- anleger (SdK) gegen die Entscheidung, die Veranstaltung auch 2023 ins Netz zu ver- legen. Besonders pikant: DWS-Fondsma- nager würden ihrerseits Unternehmen kri- tisieren, die auf Aktionärstre en per Video setzen, so die Aktionärsschützer. Das Regelwerk Das „Gesetz zur Einführung virtueller Hauptversammlungen von Aktiengesell- schaften und Änderung genossenschafts- sowie insolvenz- und restrukturierungs- rechtlicher Vorschriften“ ist am 27. Juli 2022 in Kraft getreten. Das Regelwerk ermöglicht es Unternehmen in der Rechts- form einer AG, ihre Hauptversammlung (HV) weiterhin digital abzuhalten, obwohl die Übergangslösung aus der Corona-Zeit bereits am 31. August vergangenen Jahres ausgelaufen ist. Dafür müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein. So sieht das Gesetz zum Beispiel vor, dass eine AG ihren Vorstand per Satzungsände- rung dazu ermächtigen kann, das jährliche Aktionärstre en als Onlineformat zu veran- stalten. Ein solcher Beschluss ist allerdings immer auf maximal fünf Jahre beschränkt und muss danach erneut getro en werden. Aktionären, die sich per Video in die Ver- sammlung einschalten,muss ein Rederecht eingeräumt werden. Sie dürfen auch Anträ- ge stellen. Die Unternehmen können festlegen, dass Fragen zu den Tagesordnungspunkten drei Tage vor der HV einzureichen sind. Dann müssen sie diese auch vor dem Aktionärstre en schriftlich beantworten. In der virtuellen Versammlung selbst dürfen Aktionäre Nachfragen zu den vorab gestell- ten Fragen stellen. Aber: Neue Fragen zur Tagesordnung, die nicht vorher eingereicht wurden, müssen – anders als bei einer Präsenz-Hauptversammlung – nicht beant- wortet werden. Demonstrant mit Protesttransparent auf der Hauptversammlung der Volkswagen AG am 10. Mai 2023 in Berlin: Solche Szenen fallen weg, wenn Hauptversammlungen rein virtuell stattfinden. Der renommierte Ökonom Lars Feld, Professor für Wirtschaftspolitik in Freiburg, spricht auf Einladung von Union Investment über „Infrastruktur – Chancen für Win-Win-Lösungen“. ANMELDUNG: fondsprofessionell.de MANNHEIM, 24. + 25. JAN. 2024 STEUER & RECHT Virtuelle Hauptversammlung 442 fondsprofessionell.de 4/2023 FOTO: © KRISZTIAN BOCSI | BLOOMBERG.COM

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