FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 4/2024

Tobias Mock, der Länderchef der Ratingagentur S&P Global in Deutschland, über steigende Ausfallraten, staatliche Schuldenberge, deutsche Autobauer und das schwierige Verhältnis von Aktionären zu Anleiheninvestoren. D ie staatliche Verschuldung bricht alle Rekorde: Der Internationale Wäh- rungsfonds (IWF) warnt, dass die weltweite Staatsverschuldung dieses Jahr erstmals die Marke von 100 Billionen US-Dollar über- schreitet, Tendenz steil steigend. FONDS professionell sprach mit Tobias Mock, dem Deutschlandchef der einflussreichen Ratingagentur Standard & Poor’s (S&P), über den Schuldenwettlauf bei den Staa- ten, Zahlungsausfälle bei Unternehmens- anleihen und darüber, welche Risiken sich nicht in Zahlen fassen lassen. Herr Mock, die meisten Aktionäre dürften bei Standard & Poor’s an den S&P 500 Index denken, dabei ist S&P als führende Ratingagentur vor allem für Anleiheninves- toren wichtig. Was können Aktionäre sonst noch von Anleiheninvestoren lernen? Tobias Mock: Viele Anleiheninvestoren welt- weit verlassen sich auf unsere Bonitätsein- schätzung für Staaten und Unternehmen. Unser Emittentenrating drückt unsere Er- wartung an die Fähigkeit eines Schuldners, seinen zukünftigen Zahlungsverpflichtun- gen vollständig und fristgerecht nachzu- kommen, aus. Ein hohes Rating drückt eine hohe Resilienz aus, also eine hohe Finanzkraft und Widerstandsfähigkeit eines Schuldners gegenüber unvorhergesehenen Ereignissen und Schocks. Gerade in Zeiten großer Unsicherheit sollte diese Resilienz auch für Aktieninvestoren wichtig sein. Starinvestor Warren Buffett sagte einmal: „Erst wenn die Ebbe kommt, sieht man, wer keine Badehose anhat.“ In der Niedrig- zinsphase war das Schuldenmachen billig. Wie hat sich der Zinsanstieg ab 2022 auf die Bonität der Firmen ausgewirkt? Hier muss man klar unterscheiden: Die In- vestment-Grade-Firmen mit einem Rating von BBB– und besser kommen auch bei höheren Zinsen meist gut zurecht. Hoch verschuldete High-Yield-Unternehmen mit einem Rating von BB+ und darunter ha- ben viel weniger finanziellen Spielraum und wurden vomZinsanstieg deutlich stär- ker getroffen. Auch die Ausfallraten sind hier deutlich angestiegen. Wie sieht das in konkreten Zahlen aus? Langfristig gesehen gehen im High-Yield- Bereich jedes Jahr ungefähr drei Prozent der Firmen pleite, wir sprechen von Zah- lungsausfällen. In den vergangenen Jahren hatten wir zwei Ausreißer: Während der Covid-Pandemie stieg der Wert zwischen- zeitlich auf rund sechs Prozent und mit den Zinserhöhungen der Zentralbanken dieses Jahr auf fast fünf Prozent. Gerade entspannt sich die Lage etwas, aber wir erwarten keinen raschen Rückgang auf die Werte vor Corona, die unter zwei Prozent lagen. Außerhalb des Immobiliensektors sind die ganz spektakulären Zahlungsausfälle bis- lang ausgeblieben. War das schon alles? Oder kommen noch größere Pleiten auf die Anleihenmärkte zu? Die wichtigsten Faktoren sind derzeit posi- tiv für die Schuldner: Die Zinsen sinken wieder, ebenso die Energie-, Rohstoff- und Verbraucherpreise, und die Wirtschaft sollte im nächsten Jahr auch in Deutschland wieder, wenn auch gering, wachsen. „Für Anleiheninvestoren ist wenig Wachstum oft besser“ » Wir sehen die Banken gut gewappnet für den Krisenfall. « Tobias Mock, S&P Global MARKT & STRATEGIE Tobias Mock | S&P Global 146 fondsprofessionell.de 4/2024

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