FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 4/2024

Von einem kräftigen Wirtschaftswachstum kann man kaum sprechen … Für Anleiheninvestoren ist wenig Wirt- schaftswachstum oft besser als ein hohes Wachstumstempo, denn das geht meist mit mehr schuldenfinanzierten Investitionen einher. Anleihen haben ja im Gegensatz zu Aktien nur begrenztes Kurspotenzial –mehr als den Nennwert erhalten Investoren am Ende zusätzlich zu den Kuponzinsen nicht zurück. Schuldenfinanzierte Expansionsplä- ne sind für sie eher ein unbezahltes Risiko. Die Risikoprämie von Investment-Grade- Unternehmensanleihen gegenüber Bun- desanleihen ist zuletzt deutlich gesunken. In den USA liegt sie aktuell sogar auf dem niedrigsten Stand seit rund 20 Jahren. Sind die Anleger zu leichtfertig? Die Einengung der Zinsprämien erfasst alle Bereiche des Anleihenmarktes. Dazu tragen neben dem Kreditrisiko auch die Liquidität sowie Angebot und Nachfrage bei. Gerade die Nachfrage nach Anleihen ist mit der Rückkehr der Zinsen wieder deutlich gestiegen. Investoren achten dabei auch auf die Gesamtverzinsung – also risi- kofreier Zinssatz zuzüglich Renditeprämie. Wenn eine Anleihe mit Rating BBB– einen Kupon von fast vier Prozent bietet, ist das für viele Anleger attraktiv. Und die Schuldner nutzen diese Konstel- lation, um sich langfristig günstig zu ver- schulden? Wir haben ein Rekordjahr bei Neuemissio- nen von Unternehmen und liegen bereits jetzt 30 Prozent über dem Vorjahr. Das sind jedoch zu einemGroßteil nachgeholte Finanzierungen.Die Zinsen und Risikoprä- mien waren in den vergangenen Jahren einfach so hoch, dass Firmen Refinanzie- rungen nach Möglichkeit verschoben ha- ben.Wir beobachten aber noch nicht, dass die Unternehmen sich etwa im Hinblick auf die Investitionen, die für den Übergang zu Net Zero nötig sein werden, langfristig mit Kapital eindecken. Zudem sind ja die Zinsen trotz geringer Risikoprämien auch für die Schuldner insgesamt hoch – güns- tig ist das Schuldenmachen momentan jedenfalls nicht. Besonders den Immobiliensektor traf der Zinsanstieg hart: Sehen Sie hier Licht am Ende des Tunnels? Wir unterscheiden zwischen den Immobi- lienbetreibern und den Immobilienent- wicklern. Über die Entwickler fegte mit dem Zinsanstieg und dem Nachfrageein- bruch etwa nach Büroflächen natürlich ein perfekter Sturm hinweg, das haben wir auch bei den Ausfällen gesehen. Projektent- wickler bewerten wir aufgrund ihres risiko- behafteten Geschäftsmodells generell als spekulativ. Anders ist das bei den Immobi- lienbetreibern: Hier liefen die Mieteinnah- men weiter, auch wenn die Transaktionen eingebrochen sind. Wer nicht verkaufen musste, hat die geringeren Preise einfach ausgesessen. Jetzt sehen wir wieder erste Transaktionen und Refinanzierungen, wir haben zuletzt sogar einige Ratings ange- hoben.Wir glauben, dass die schlechtesten Zeiten am Immobilienmarkt in Europa hinter uns liegen. In Krisen wie der globalen Finanzkrise ab 2008 standen Banken imZentrum. Mit Aus- » Unternehmen können bei ähnlichen Verschul- dungsgraden sehr unterschiedliche Ratings haben. « Tobias Mock, S&P Global k ä R k ä R FOTO: © CHRISTOPH HEMMERICH fondsprofessionell.de 4/2024 147

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