FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 4/2024

Wann beginnt die Zukunft? Diese Frage klingt nicht nur seltsam, jeder Mensch beantwortet sie auch anders. Vom Ergebnis hängt ab, wie leicht er sich tut, fürs Alter zu sparen, so eine Erkenntnis aus der Finanzpsychologie . E s ist schon erstaunlich: Viele Men- schen tun sich unheimlich schwer damit, ihre Altersvorsorge anzugehen – ob- wohl ihnen bewusst ist, dass die gesetzliche Rente nicht ausreichen wird, um ihren Lebensstandard im Ruhestand zu sichern. Auch erfahrene Finanzberater beißen oft genug auf Granit.Warum ist das so? „Das Wissen um die Notwendigkeit der Altersvorsorge ist bei den meisten Men- schen vorhanden“, sagt Monika Müller, Gründerin von FCM Finanz Coaching in Wiesbaden. „Das mag vor 20 Jahren noch anders gewesen sein, aber diese Wissens- lücke wurde geschlossen.“ Sprich: Es gibt kein Erkenntnis-, sondern ein Umsetzungs- problem. „Reicht es in diesem Fall, nur das Finanzwissen zu steigern? Offensichtlich nicht“, meint Müller. „Für mich heißt das, dass es Persönlichkeitsmerkmale geben muss, die Menschen daran hindern, ihr Wissen auch in die Tat umzusetzen.“ Also machte sich die Diplom-Psychologin auf die Suche – und stieß auf Forschungser- gebnisse, die in der Praxis bislang kaum Anwendung finden. Müllers Beobachtung zufolge greifen Finanzberater gern zu zwei Tricks, um ihre Kunden dazu zu bringen, Geld fürs Alter beiseitezulegen: „Einige schüren Angst vor der Altersarmut“, sagt sie. „Andere wiede- rum schwärmen den Kunden vor, welche Träume sie sich später erfüllen können, wenn sie heute ein klein wenig Verzicht üben. Beide Ansätze sind allerdings wenig förderlich,wenn es darum geht, gute Finanz- entscheidungen zu treffen.“ Zwei Ansätze Bei ihren Recherchen stieß Müller auf zwei Konzepte, die seriösen Finanzberatern neue Ansätze liefern könnten, vorsorge- unwillige Kunden zu verstehen – und mit ihnen gemeinsam eine Lösung zu erarbei- ten. Das eine ist das „Future Self“-Konzept, das andere hängt mit der Frage zusammen, wann eigentlich die Zukunft beginnt.Wie bitte? Was hat eine solche Frage denn mit Finanzberatung zu tun? „Das Verständnis von Gegenwart ist individuell“, sagt Müller. Oder anders formuliert: „Die Frage, wann die Gegenwart endet und die Zukunft beginnt, beantwortet jeder Mensch unter- schiedlich. Und das beeinflusst auch seine Finanzentscheidungen.“ Die FCM-Gründerin erläutert, dass „zeit- raumbezogene Aspekte“ unsere Entschei- dungen im Hier und Jetzt prägen. „Einer- seits beeinflussen die Bedürfnisse der Ge- genwart unsere Entscheidungen, anderer- seits spielen auch die Erfahrungen aus der Vergangenheit und die Konsequenzen für die Zukunft eine Rolle“, sagt Müller. Sie ver- weist auf eine 2020 veröffentlichte Studie der beiden Psychologen Hal Hershfield und Sam Maglio. Demnach treffen Men- schen, die glauben, dass die Gegenwart früher endet und sich eindeutig von der Zukunft abgrenzen lässt, eher zukunfts- orientierte Entscheidungen. „Diese Erkenntnis lässt sich auf Finanz- entscheidungen übertragen“, sagt Müller. „Einem Kunden, der den morgigen Tag schon als Zukunft sieht, fällt es leicht, für die Zukunft zu planen und Geld dafür zurückzulegen. Wer dagegen der Überzeu- gung ist, dass die Zukunft erst in fünf Jah- ren beginnt, wird sich dazu nur schwerlich Einige Menschen fühlen sich ihrem zukünftigen Ich sehr nah. Diese Einstellung hilft dabei, heute schon für später vorzusorgen. Wer sich seinem „Future Self“ sehr fern fühlt, tut sich damit eher schwer. VERTRIEB & PRAXIS Finanzpsychologie 330 fondsprofessionell.de 4/2024 FOTO: © VIACHESLAV YAKOBCHUK | STOCK.ADOBE.COM

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