FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 4/2024
aufraffen – schließlich wirkt die Zukunft für ihn kaum planbar.“ Interessanterweise bleibt diese Wahrnehmung im Lauf des Lebens relativ stabil. „Es handelt sich um ein Persönlichkeitsmerkmal, ähnlich wie die finanzielle Risikobereitschaft“, sagt Müller. „Der Berater kann dieses Thema mit seinem Kunden besprechen und ziel- gerichtet darauf eingehen, dessen Einstel- lung wird er aber nicht ändern können.“ Und was kann ein Berater tun, wenn er weiß, dass sich sein Kunde aus den be- schriebenen Gründen schwertut, für die Zukunft zu planen? „Er sollte davon Ab- stand nehmen, von ‚Vorsorge für die Zu- kunft‘ zu sprechen – da schaltet der Kunde gedanklich sofort ab“, rät Müller. „Betont werden sollte eher, warum die Entschei- dung schon für das Jetzt bedeutsam ist. Sinnvoll ist es in einem solchen Fall auch, eher mehrere kleine Schritte zu tun, als gleich über Verträge mit langer Laufzeit und großen Summen zu sprechen.“ Blick in die Zukunft Hilfreich für Finanzberater kann auch das oben erwähnte „Future Self“-Konzept sein (siehe Kasten unten). Im Zentrum steht hier die Frage, ob ein Mensch eine eher schwache oder eher starke Verbin- dung zu seinem zukünftigen Selbst auf- baut. „Wer sein Zukunfts-Ich als ‚Fremden‘ wahrnimmt, wird kaum das Bedürfnis ver- spüren, fürs Alter vorzusorgen“, so Müller. Doch an dieser Wahrnehmung lässt sich arbeiten – mit positiven Folgen für das Sparverhalten, wie Hershfield mit anderen Wissenschaftlern herausfand. Eine Möglich- keit ist, den Fokus stärker auf das zukünfti- ge Selbst zu richten und Gemeinsamkeiten zu identifizieren. „Die Erkenntnis, dass mein Zukunfts-Ich mir näher ist, als ich zunächst vielleicht dachte, steigert die Be- reitschaft, Geld beiseitezulegen“, erläutert Müller. Ähnlich wirkt die zweite Option – nur in die andere Richtung: Das gegenwär- tige Selbst wird in die Zukunft projiziert. „Das Aufdecken von Fähigkeiten und Eigenschaften, die auch im späteren Leben zentral für eine Person sind, kann die wahr- genommene Ähnlichkeit des Future Self mit dem gegenwärtigen Selbst erhöhen und damit das Sparverhalten fördern“, so die Diplom-Psychologin. Erste Finanzunternehmen nutzen diese Erkenntnis schon. So ließ der Versicherer Neue Leben ein KI-Tool entwickeln, das es erlaubt, dem gealterten Ich in die Augen zu blicken und mit ihm über die Altersvor- sorge zu sprechen. „Wenn sie gut gemacht sind, können solche Tools tatsächlich dabei helfen, eine Beziehung zum Zukunfts-Ich aufzubauen“, meint Müller. „Es bleibt aber das Risiko, dass man beim Anblick seines älteren Ichs erschrickt. Das wäre dann kon- traproduktiv.“ Sie empfiehlt Beratern eher, dem Kunden vorzuschlagen, gedanklich das Future Self mit an den Tisch zu holen. „Im Idealfall steht am Ende eine Finanz- entscheidung, die dieses Trio gemeinsam erarbeitet hat.“ BERND MIKOSCH FP » Wer sein Zukunfts-Ich als ›Fremden‹ wahr- nimmt, wird kaum das Bedürfnis verspüren, fürs Alter vorzusorgen. « Monika Müller, FCM Das „Future Self“ -Konzept Idee: Der Psychologe Hal Hershfield, Profes- sor an der Wirtschaftshochschule UCLA Anderson School of Management in Los Angeles, machte eine interessante Beobachtung: Für unsere Ent- scheidungsfindung spielt eine wichtige Rolle, wie wir unser gegenwärtiges und zukünftiges Ich wahrnehmen. Wie nah fühlen Sie sich Ihrem zukünftigen Ich? Sieht dieses „Future Self“ Ihrem „Current Self“ ähnlich oder nicht? Illustration: Weil sich solche Fragen nur schwer in Worte fassen lassen, verwendet Hershfield zwei Kreise (siehe Illustration oben). Wie nah oder fern würden Sie diese beiden Kreise zeichnen? Welche Aspekte stehen dabei im Vor- dergrund, ganz allgemein und speziell mit Blick auf die Finanzen? Haben Sie beispielsweise schon eine Vorstellung davon, welche Rolle das Geld für Ihr zukünftiges Ich spielen dürfte? Finanzpsychologie: „Das ‚Future Self‘ ist für die Finanzberatung von hoher Bedeutung“, sagt Monika Müller, Gründerin von FCM Finanz Coa- ching. „Hershfield zeigte, dass Personen mit einer hohen wahrgenommenen Ähnlichkeit zwischen ihrem gegenwärtigen und ihrem zukünftigen Selbst eine höhere Präferenz für spätere Beloh- nungen aufweisen. Sie sind eher bereit, für die Zukunft zu sparen.“ Vorlageder Illustration:Hershfield (2011) Current Self Future Self Current Self Future Self Current Self Future Self Current Self Future Self Current Self Future Self Current Self Future Self Current Self Future Self VERTRIEB & PRAXIS Finanzpsychologie 332 fondsprofessionell.de 4/2024 FOTO: © THOMAS SCHIFFMANN | WWW.SUNZINET.COM
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