FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 4/2024
nach der letzten Bundestagswahl Rot-Rot- Grün bekommen, hätte es in Deutschland wahrscheinlich schon einen Systemwechsel bei der Vergütung gegeben. Auf europäi- scher Ebene geht es um die Retail Invest- ment Strategy (RIS), also die EU-Kleinanle- gerstrategie. Weil diese bislang nicht final verabschiedet wurde, ist das Provisionsver- bot noch nicht endgültig vom Tisch. Wann wird denn die Kleinanlegerstrategie voraussichtlich verabschiedet und in Kraft treten? Wir erwarten, dass sich der Start der Trilog- Verhandlungen zwischen Kommission, Par- lament und Rat weiter verzögern wird. Bis zuletzt war die neue EU-Kommission erst in Teilen bestätigt, die nötigen Verhand- lungsgruppen im Europäischen Parlament fehlten, und die Abstimmung innerhalb der Ratspräsidentschaft darf als sehr kom- plex gelten. Die Trilog-Verhandlungen wer- den wohl realistischerweise erst im Januar 2025 beginnen. Zudem hat die ungarische Ratspräsidentschaft Anfang Oktober eine umfassende Synopse zu den unterschied- lichen Versionen des RIS-Dossiers mit Rückfragen an die EU-Mitgliedsstaaten ver- schickt. Das wiederum lässt vermuten, dass das Dossier wahrscheinlich erst von der kommenden polnischen Ratspräsident- schaft ab Januar 2025 inhaltlich weiter- geführt werden kann. Eine Einigung vor dem zweiten Quartal 2025 ist damit wenig wahrscheinlich.Die finale Veröffentlichung der Regelungen im EU-Amtsblatt dürfte wohl erst ab dem dritten Quartal 2025 erfolgen. In Kraft treten in den National- staaten würden die Regeln dann 18 oder nach Vorschlag des EU-Rats sogar erst 36 Monate nach dieser Veröffentlichung. Zuletzt gab es vermehrt Berichte, dass Ver- braucherschützer vor deutschen Gerichten gegen Versicherungsmakler vorgehen, die sich als unabhängig bezeichnen. Was tut sich da? Das ist schon eine echte Kampfansage der sogenannten Verbraucherschützer. Deren ideologische Borniertheit kennt kaum Grenzen. Wir alle wissen, dass der Begriff Versicherungsvermittler der Oberbegriff für Versicherungsvertreter und -makler ist – nach Paragraf 59 Absatz 1 Versicherungs- vertragsgesetz (VVG). Versicherungsvertre- ter stehen nach deutschem Recht im Lager der Versicherer und sind damit nicht unab- hängig. Versicherungsmakler hingegen ste- hen als treuhänderischer Sachwalter des Kunden in dessen Lager, so das wegweisen- de Sachwalter-Urteil des Bundesgerichts- hofs von 1985. Sie empfehlen nach Wün- schen und Bedürfnissen des Kunden pas- sende Versicherungsprodukte aus der Breite des Marktes, und das auch unabhängig von der Vergütung. Maklern steht auch der ganze Markt der Nettoprodukte offen. Sie sind nach deutschem Recht per se unab- hängig. Ein von uns beauftragtes Gutach- ten des Versicherungs- und Europarechtlers Hans-Peter Schwintowski hat dies ausführ- lich dargelegt. So weit, so klar. Aber was tut sich vor Gericht? Nun sorgten Abmahnungen des Verbrau- cherzentrale Bundesverbands (VZBV) für Irritationen. Ein Makler, der unabhängige Beratung ohne Vermittlungsabsicht an Pri- vatkunden anbietet, muss damit rechnen, rechtskräftig abgemahnt zu werden, da er die Grenze hin zum Versicherungsberater überschritten hat. Zu diesem Ergebnis kam jedenfalls das seit einigen Monaten rechts- kräftige Urteil des OLG Köln vom 7. Fe- bruar 2024 (Az.: 6 U 103/23). Es ist halb- wegs nachvollziehbar, ändert an der bis- herigen Rechtslage jedoch grundsätzlich nichts. Ein Makler darf von sich weiterhin sagen, dass er unabhängig ist. Der VZBV titelt dazu triumphierend: „Versicherungs- vermittler dürfen sich nicht als unabhängig darstellen.“Das ist offensichtlich wider bes- seres Wissen der Verantwortlichen falsch und irreführend – und einer von Steuergel- » Ein Verbot der Pro- visionsberatung würde vielen die Existenz- grundlage entziehen. « Norman Wirth, AfW FOTO: © MARTIN PETERDAMM STEUER & RECHT Norman Wirth | AfW 432 fondsprofessionell.de 4/2024
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