FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 4/2024
Weniger verwickelt Die EU-Offenlegungsverordnung wird derzeit einem Review unterzogen. Erste Vorschläge für Änderungen des komplizierten Regelwerks liegen bereits vor. Sie deuten auf einen Neustart hin. O b es nun die verknotete Wolle ist,mit der sich der Hund oder die Katze im Haus vergnügt hat, oder die durcheinander geratene Schnur der weihnachtlichen Lich- terkette: Wenn etwas richtig verwickelt ist, dann gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder Fäden, Schnüre oder Kabel werden fein säuberlich entwirrt – oder es wird einfach entsorgt und neu gekauft. Für einen kompletten Neustart wird sich aller Voraussicht nach wohl der europäi- sche Gesetzgeber hinsichtlich der Ver- ordnung über nachhaltigkeitsbezogene Offenlegungspflichten im Finanz- dienstleistungssektor, kurz Of- fenlegungsverordnung ge- nannt, entscheiden. Das ver- wickelte Regelwerk, das am 10. März 2021 in Kraft ge- treten ist, wird derzeit einer Generalüberholung, einem Review, unterzogen. Enorm komplex Ein Kerngedanke der Ver- ordnung ist, Anlegern mehr Informationen darüber an die Hand zu geben, inwieweit ein Fi- nanzprodukt, etwa ein Fonds, Nach- haltigkeitsstandards berücksichtigt (sie- he Kasten Seite 438). Doch weil die enorm komplexen Vorgaben schon für Juristen schwer zu verstehen sind, helfen sie Privatinvestoren bei ihrem Wunsch, ESG-konform anzulegen, kaum weiter. Zudem wurde die Offenlegungsverord- nung, die lediglich für mehr Transparenz sorgen soll, von Kapitalverwaltungsgesell- schaften zum Teil als Klassifizierungssystem für ESG-Fonds und damit zu Marketing- zwecken genutzt. Greenwashing ist das Stichwort. Dass das Regelwerk in seiner aktuellen Form nicht zielführend ist, haben mittlerweile auch die Politiker in Brüssel erkannt. Nach einer Konsultation, die die Europäische Kommission gestartet hat, liegen nun Vorschläge für so gravierende Änderungen der Verordnung vor, dass von einer Neuauflage auszugehen ist. Weg mit Artikel 8 und 9? Die EU-Kommission hatte im Zuge des Reviews von Level 1 der Offenlegungs- verordnung im September 2023 die euro- päischen Aufsichtsbehörden für Banken (EBA), Versicherungen (EIOPA) und Wert- papierunternehmen (ESMA), Finanzmarkt- akteure sowie Wissenschaftler unter ande- rem dazu befragt, welche von zwei Optio- nen sie für eine Reform des Regelwerks als sinnvoller erachten: Sollen für die Artikel 8 und 9 (siehe Kasten auf Seite 438) künf- tig weitere Definitionen und Min- destanforderungen vorgesehen werden? Oder sollen die beiden Artikel abgeschafft und statt- dessen konkrete Kategorien für nachhaltig investierende Finanzprodukte eingeführt werden? Zu den im Mai 2024 vorgelegten Ergebnis- sen haben sich über den Sommer auch die nationalen Aufsichtsbehörden der EU-Mit- gliedsländer geäußert. „Alle wichtigen Akteure spre- chen sich für einen Wechsel zu einem inhaltlich begründeten Kategorisie- rungssystem aus“, erklärt Magdalena Kuper, Leiterin Nachhaltigkeit beim deutschen Fondsverband BVI. Einen Wechsel weg von einem reinen Trans- Ordentlich aufgerollt: Verwickelte Wolle zu entwirren ist kein leichtes Unterfangen. Einfacher ist, das Knäuel zu entsorgen und ein neues zu kaufen. Die Offenlegungsverordnung dürfte eher ganz neu gestartet als entknotet werden. STEUER & RECHT Offenlegungsverordnung 436 fondsprofessionell.de 4/2024 FOTO: © OXIE99 | GENERIERT MIT KI | STOCK.ADOBE.COM
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