FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 4/2024
kostet zehn Euro, als ein Fondsmanager die Order an die Börse gibt. Bei 10,10 Euro wird die Order ausgeführt, macht zehn Cent implizite Transaktionskosten. Sinkt die Aktie zwischenzeitlich allerdings auf 9,90 Euro, müsste der Anbieter in diesem Fall negative Transaktionskosten von zehn Cent veranschlagen. Negative Transaktionskosten haben mit der Realität nicht viel zu tun – und sind auch nicht das Problem. „Liegen die Kos- ten einer Wertpapiertransaktion imMinus, werden sie ab 2025 nicht mehr ausgewie- sen“, erläutert Graw. Schwerer wiegt, dass viele Fondsanbieter nicht über ausreichend historische Daten und die richtigen Zeit- stempel verfügen, um das Arrival-Price- Verfahren in Reinform anzuwenden. „Viele Gesellschaften haben keine entsprechen- den Datenbanken aufgebaut, was auch enorm aufwendig wäre“, weiß Graw. Kennt eine KVG den Arrival Price für jede einzelne Transaktion in ihren Fonds nicht, werden sogenannte Börsen-Tickdaten benötigt. Diese können bei großen Daten- anbietern bezogen werden, dort sind die Tickdaten für zurückliegende Wertpapier- transaktionen meist zu finden. „Allerdings fehlt bei den Transaktionen oft der richtige Zeitstempel, oder der Ti- mestamp spiegelt gar die Orderausfühung wider“, sagt Graw. Dazu kann es kommen, wenn eine Order bereits vor Eröffnung der entsprechenden Börse erteilt wird und erst später an den Markt geht, weil sie vielleicht mit der Weisung „Market on Close“ ver- sehen ist. In diesem Fall wird bestimmt, die Ausführung zum oder möglichst nah am Schlusskurs zu platzieren. Eine Hintertür „Wenn wir keine genauen Informationen zum Zeitpunkt der Orderaufgabe in den Markt haben, können wir die Transaktions- kosten nicht exakt errechnen“, sagt Graw. Lässt sich der Arrival Price nicht eruieren, öffnet die PRIIPs-Verordnung allerdings eine Hintertür: Dann ist es möglich, für die Berechnung der Transaktionskosten den letzten verfügbaren Preis zu verwenden, etwa den Eröffnungskurs des Handelstages oder den Schlusskurs des Vortages. Sehr realitätsnah ist der Ausweis der Transaktionskosten dann nicht.Und ob das Arrival-Price-Verfahren für Anleger tatsäch- lich mehr Transparenz schafft, so wie es der Gesetzgeber eigentlich geplant hat, ist frag- lich. „Auch wann und in welchen Zeitab- ständen die negativen Transaktionskosten » Bei drei Szenarien hat der europäische Gesetz- geber 2023 auf eine neue Methode umgestellt. « Bernhard Bittner, Deloitte Erstaunliche Prognosen in Performanceszenarien Die PRIIPs-Verordnung sieht vor, dass im Basisinformationsblatt (BIB) für jeden OGAW-Fonds vier Szenarien aufgeführt werden müssen. Sie sollen dem Anleger Auskunft darüber geben, wie sich das Produkt unter ganz unterschiedlichen Marktbedingungen entwickeln könnte. Die Szenarien beruhen auf sehr komple- xen Berechnungen. Für Privatinvestoren ist nicht erkennbar, welche Annahmen für die einzelnen Szenarien getroffen wurden. Es ist daher auch nicht nachvoll- ziehbar, wie die Summen zustandekom- men, die Anleger je nach Simulation und Zeitpunkt zurückerhalten können. Das PRIIPs-BIB des DWS Concept Kaldemorgen gibt an, dass ein Anleger, der 10.000 Euro in den Fonds investiert und nach der empfohlenen Haltedauer von vier Jahren aussteigt, eine Rendite von 6,6 Prozent jährlich und einen Gewinn von 2.910 Euro erzielen könnte, sofern das optimistische Szenario zutrifft. Für den Fall, dass das Stressszenario ein- treten sollte, würde er hingegen ein Minus von 11,8 Prozent im Jahr machen, 6.060 Euro blieben ihm übrig. Solche Prognosen helfen dem Fonds- anleger kaum weiter. fondsprofessionell.de 4/2024 441 FOTO: © BIB: DWS, EY | DELOITTE
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