FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 4/2024
beratungsgesellschaft Mazars. „Im Jahr 2021 hatte ein Anleger mit CFDs einen Gewinn von 250.631 Euro und einen Ver- lust in Höhe von 227.289 Euro eingefah- ren“, berichtet sie. Sein Plus belief sich also auf 23.342 Euro. „Gemäß der gesetzlichen Regelung berücksichtigte das Finanzamt aber nur einen Verlust von 20.000 Euro und bezifferte den zu versteuernden Ge- winn mit 213.826 Euro“, so Herbst. Es folg- te ein Steuerbescheid in Höhe von 59.860 Euro – mehr als das Zweieinhalbfache des Nettogewinns. „So etwas kann einfach nicht sein“, findet Herbst. Das fand auch der Anleger, legte gegen den Steuerbescheid Einspruch ein und klagte schließlich vor dem Finanzgericht Rheinland-Pfalz. ImDezember 2023 gaben die Richter dem Kläger recht (Az. 1 V 1674/23). Sie äußerten „erhebliche Beden- ken“, dass die Vorschrift, die sich in Paragraf 20 Absatz 6 Satz 5 des Einkommensteuer- gesetzes (EstG) findet, mit dem Gleich- behandlungsgrundsatz des Grundgesetzes zu vereinbaren ist. Doppelte Ungleichbehandlung Klare Worte fand in zweiter Instanz auch der Bundesfinanzhof (BFH). In einem am 7. Juni 2024 veröffentlichen Beschluss (VIII B 113/23) stellten die Karlsruher Richter fest, dass die noch geltenden Regeln keines- wegs mit demGrundgesetz vereinbar sind. Sie führten zu einer „doppelten Ungleich- behandlung von Steuerpflichtigen, die Verluste aus Termingeschäften erzielen“, befanden sie. Zum einen werde mit Ein- bußen aus diesen Geschäften anders verfah- ren als mit solchen aus anderen Kapitalan- lagen. Hinzu komme die Beschränkung der Verlustverrechnung. Mit der Ungleichbehandlung soll ab dem kommenden Jahr Schluss sein. „Es ist gelungen, sich nach intensiven Verhandlun- gen mit SPD und Grünen darauf zu eini- gen, dass man Verluste aus Termingeschäf- ten in der Steuererklärung zum Beispiel auch wieder mit Aktiengewinnen verrech- nen darf“, sagt Katja Hessel. „Wir schaffen nun Rechtsklarkeit, bevor das Bundesver- fassungsgericht sich gezwungen sieht, dem Bundesfinanzhof recht zu geben“, erklärt sie. 2025 entfällt außerdem die Grenze von 20.000 Euro. Dann dürfen Anleger Ver- luste, die sie mit Optionen, Swaps, CFDs und Co. gemacht haben, wieder in jeder Höhe mit Gewinnen verrechnen. Das gilt für Aktien Anders sieht es nach wie vor bei Aktien aus, obwohl Verluste auch hier steuerlich nicht so behandelt werden wie Einbußen aus anderen Wertpapierarten. So können Erträge aus Aktienveräußerungen gegen ein Minus laufen, das mit anderen Finanz- produkten, etwa mit Fondsverkäufen, ent- standen ist. „Wer hingegen Aktien mit Verlust veräußert, darf diese Einbußen ausschließlich mit Aktiengewinnen ver- rechnen“, erklärt Steuerexpertin Catarina Herbst. Falls in einem Steuerjahr keine Gewinne aus Aktiendeals anfallen,müssen Anleger die Verluste auf die folgenden Jahre vortragen. Klingt unlogisch, ist unlogisch Das klingt unlogisch, und das ist es auch. „Diese Regelung hat der deutsche Gesetz- geber am 1. Januar 2009 zusammen mit der Abgeltungsteuer eingeführt“, erläutert Oliver Schultze, Inhaber der Steuerbera- tungsgesellschaft S&V Steuern und Vermö- gen aus Pinneberg. Bis zu diesem Zeit- punkt zählten Aktien- ebenso wie Fonds- verkäufe nach Paragraf 23 Einkommen- steuergesetz zu den sogenannten privaten Veräußerungsgeschäften, laufende Erträge gemäß Paragraf 20 EStG hingegen zu den Einkünften aus Kapitalvermögen. Da jedoch Veräußerungsgewinne ebenso wie Zinsen und Dividenden einheitlich mit 25 Prozent Abgeltungsteuer belegt werden sollten, wurden die Gewinne aus denWert- papierverkäufen kurzerhand umqualifiziert und den Einkünften aus Kapitalvermögen zugeordnet. „So kurz nach der Finanzkrise sah der Gesetzgeber Aktien allerdings als hoch- spekulativ an“, erklärt Schultze. „Man ging wohl davon aus, dass der Verkauf der Titel potenziell zu extrem großen Verlusten füh- ren könne, sodass für den Fiskus keine Steuer mehr übrig bliebe, wenn diese Verluste mit Gewinnen aus allen anderen Kapitalerträgen verrechnet werden dürften“, vermutet er. Das sei natürlich Unfug. Der BFH legte dem Bundesverfassungs- gericht bereits 2020 in einem Beschluss (Az.: 2 BvL 3/21) die Frage vor, ob es verfas- sungskonform ist, dass Aktienverluste nur mit Aktiengewinnen verrechnet werden dürfen, oder ob dies gegen das im Grund- gesetz verankerte Gleichbehandlungsprin- zip verstößt. „Eine Entscheidung steht aber bis heute noch aus“, so Catarina Herbst. Und diesen alten Zopf hat die Ampel- koalition mit ihrem Jahressteuergesetz 2024 nicht abgeschnitten. ANDREA MARTENS FP » Eine Entscheidung des Verfassungsgerichts zur Verrechnung von Verlusten mit Aktien steht noch aus. « Catarina Herbst, Mazars fondsprofessionell.de 4/2024 445 FOTO: © FORVIS MAZARS
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