FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 4/2024

Ansprüche nachrangig zu befriedigen sind. „Der Aktienerwerb auf dem Sekundär- markt ist einem Gesellschafterdarlehen nicht unmittelbar gleichzustellen“, erläutert Anwalt Kühler. Begründeter Vermögensanspruch Im Fall Wirecard beurteilten die Richter am OLG München den Sachverhalt ent- sprechend anders. In der Berufung zog das Argument von Union Investment, die Ge- sellschaft hätte nie Wirecard-Aktien erwor- ben, wenn sie durch die offensichtlich ge- fälschten Bilanzen nicht getäuscht worden wäre. Das OLG kam zu dem überraschen- den Schluss, der Fondsanbieter habe einen „begründeten Vermögensanspruch“ und damit im Insolvenzverfahren dieselben Rechte wie die Gläubiger. Union Investment zeigt sich mit der Ent- scheidung durchaus zufrieden, auch wenn sie vorerst nur einen Teilerfolg darstellt. „Das Urteil ist für alle Anleger sehr erfreu- lich“, sagt ein Sprecher. Da es sich bei die- sem Fall um juristisches Neuland handle, ist der Ausgang beim BGH ungewiss. „Wir rechnen aber damit, dass das Gericht in un- serem Sinne und damit im Sinne aller Ak- tionäre urteilen wird“, erklärt der Sprecher. Die Fondsgesellschaft hofft, dass dies wegen der grundsätzlichen Bedeutung schon im Lauf des nächsten Jahres erfolgen wird. Sollte der BGH die Rechtslage ebenso beurteilen wie das OLG München, wäre das längst nicht nur für Union Investment und die Anleger der KVG eine ausgespro- chen gute Nachricht. „Bei dieser Klage han- delt es sich um eine von drei Pilotklagen“, erklärt Jurist Kühler. „Die von uns vertrete- nen geschädigten Wirecard-Aktionäre und Michael Jaffé haben sich darauf geeinigt, dass zunächst einmal nur Union Invest- ment als Pilotklägerin vor Gericht zieht“, er- läutert Kühler. Alle anderen Aktionäre, da- runter auch die eine oder andere Invest- mentgesellschaft, halten sich mit Klagen so lange zurück, bis im laufenden Verfahren eine endgültige Entscheidung gefallen ist. „Das Urteil des BGH in der Sache Union Investment gegen Jaffé entfaltet dann Wir- kung für alle anderen geschädigten Aktio- näre, die Ansprüche angemeldet haben“, sagt Peter Mattil, Inhaber der gleichnami- gen Münchner Anwaltskanzlei. Sollte die Entscheidung also zugunsten der Klägerin ausfallen, hätten auch sie einen begründe- ten Vermögensanspruch und stünden im Insolvenzverfahren mit den Gläubigern auf einer Stufe. „Es gibt den insolvenzrechtli- chen Gleichbehandlungsgrundsatz“, erklärt Mattil. „Das heißt, Jaffé ist dazu verpflichtet, die anderen Aktionäre genauso zu behan- deln wie Union Investment“, sagt er. Von den drei weiteren großen deutschen KVGen Allianz Global Investors,DWS und Deka wollte sich nur die Fondsgesellschaft der Sparkassen zum Urteil des OLG Mün- chen äußern. „Das Gericht hat festgestellt, dass die Schadensersatzansprüche der Ak- tionäre Insolvenzforderungen sind“, so ein Sprecher. „Dies bedeutet, dass die Ansprü- che institutioneller Investoren zur Insol- venztabelle angemeldet werden konnten und gleichrangig mit allen anderen Ver- bindlichkeiten der Wirecard sind. Dieses Urteil bestätigt unsere Rechtsauffassung und stärkt die Ansprüche der Deka im Insolvenzverfahren deutlich“, erklärt er. Ansprüche jetzt noch anmelden Mattil rät Aktionären, die ihre Ansprü- che bisher nicht angemeldet haben, dies noch zu tun. „In einem Insolvenzverfahren gibt es keine Auschlus-Frist für die Anmel- dung“, sagt er. „Allerdings verjährt Betrug nach drei Jahren, die sind im Fall Wirecard möglicherweise verstrichen“, so Mattil. „Ich denke nicht, dass Jaffé diese Karte ausspielt, aber falls doch, wären Schadenersatzan- sprüche für alle, die sie bis Mitte 2023 nicht angemeldet haben, schlimmstenfalls ver- jährt“, erklärt der Jurist. Dann würde auch hinten anstellen nichts nützen – es gäbe ohnehin nichts. ANDREA MARTENS FP Peter Mattil, Mattil & Kollegen: „Betrug verjährt nach drei Jahren, die sind im Fall Wirecard möglicherweise verstrichen.“ » Wir rechnen damit, dass der BGH in unserem Sinne urteilen wird. « Union Investment Martin Kühler, Tilp: „Paragraf 38 der Insolvenz- ordnung regelt eindeutig, dass die Insolvenzmasse zur Befriedigung der persönlichen Gläubiger dient.“ fondsprofessionell.de 4/2024 449 FOTO: © MATTIL & KOLLEGEN, YTHOMAS NIEDERMUELLER | TILP

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