FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 1/2024

die Notenbanken, insbesondere die Euro- päische Zentralbank, da ein Auge drauf. Alle Signale deuten darauf hin, dass die nächsten Zinsschritte eher nach unten gehen als nach oben. Wobei die Währungshüter betonen, dass sie die Lage erst prüfen wollen, bevor sie irgendwelche Schritte einleiten. Ja, insbesondere die Europäische Zentral- bank stemmt sich gegen die Erwartung der Märkte. Sie hätten zu viele und zu schnelle Zinssenkungen einkalkuliert, so die EZB. Die Marktteilnehmer seien der Entwick- lung vorausgeeilt. Die EZB möchte erst ab- warten, ob sich Zweitrundeneffekte zeigen, wie eben durch die Lohnsteigerungen. Grundsätzlich denke ich aber, dass die No- tenbanken nicht mehr eine ganz so restrik- tive Politik fahren müssen wie bisher. Das könnte insbesondere Anleihenemitten- ten entgegenkommen. Denn diesemussten die vergangenen Monate höhere Zinsen zahlen. Welche Auswirkungen hat das er- höhte Zinsumfeld auf Anleihenschuldner? Das ist ein Aspekt, dem wir uns besonders eingehend gewidmet haben, da wir Unter- nehmensanleihen höher gewichten. Wir untersuchten die Finanzkennzahlen von mehr als 1.500 Unternehmen in Europa und den USA in Bezug auf die Frage, wie sie mit den höheren Zinsen klarkommen, wenn sie nun alle ihre Schulden refinanzie- ren müssten.Das Ergebnis war, dass die Fir- men im Großen und Ganzen gut zurecht- kommen würden. Viele haben adäquate Barreserven aufgebaut, die Schuldenlast ist nicht exzessiv. Das Bild war zudem über alle Rating-Segmente gleich gut. Es stach kein Bereich negativ heraus. Sie fanden gar keine Schwachpunkte? Es gibt immer Schwachstellen. So finden sich vor allem in den USA einige Unter- nehmen, die sich überwiegend über Kre- dite mit variabler Verzinsung finanzieren. Hier sind die Refinanzierungskosten deut- lich gestiegen. In manchen Branchen wie dem Automobil- oder dem Immobilien- sektor sinkt außerdem die Nachfrage bei steigenden Zinsen spürbar.Dort sollte man Vorsicht walten lassen. Doch dabei handelt es sich um branchenspezifische Risiken und nicht um ein allgemeines Problem. Zudem haben viele Unternehmen noch in der Niedrigzinsära ihre Finanzierung gesi- chert.Daher wird es noch Jahre dauern, bis die höheren Zinsen vollumfänglich durch- schlagen. Die Unternehmen haben also Zeit, sich zu wappnen. Bis dahin werden die Leitsätze vielleicht auch wieder gesun- ken sein. Allerdings ist immer wieder von einer sogenannten Fälligkeitsmauer die Rede. Demnach laufen in nächster Zeit viele Anleihen aus. Diese Fälligkeitsmauer gibt es tatsächlich auf demUS-Hochzinsmarkt.Das Volumen an Schulden, das in den nächsten 24 Mo- naten ausläuft, ist das höchste seit Jahren. Doch dazu möchte ich ein paar Punkte festhalten. Die Renditen sind seit vergange- nemHerbst bereits etwas gesunken.Weiter- hin gehen wir davon aus, dass noch in die- sem Jahr die Notenbanken mehrere Zins- schritte einleiten werden. Das wird ein » Die Firmen würden im Großen und Ganzen gut mit höheren Zinsen zurechtkommen. « Gurpreet Gill, Goldman Sachs AM w z w z FOTO: © NIKOLA HAUBNER fondsprofessionell.de 1/2024 119

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