FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 1/2024

praktisch im Gleichlauf zügig restriktiver wurde.Nun leiten die Währungshüter wie- derum die Lockerung in einem viel gemä- ßigteren Tempo und in unterschiedlichen Phasen ein. Was ist der Grund? Jede Volkswirtschaft löste sich anders aus dem Pandemie- und dem darauf folgen- den Energieschock. Wir rechnen damit, dass die Bank of England angesichts der wirtschaftlichen Lage sehr viel aggressiver die Zinsen senken muss, als der Markt das erwartet, während die EZB weniger be- herzt vorgehen wird als gedacht. Daher gewichten wir europäische gegenüber britischen Staatsanleihen unter. Wenn die Marktmeinung in unsere Richtung dreht, erzielen wir eine gute Performance. Könnte die enorme Schuldenlast ange- sichts der höheren Zinsen zu einem Pro- blem werden, gerade in den westlichen Staaten? Vor der Antwort steht die Frage, warum die Staaten eigentlich so hoch verschuldet sind. Ein wichtiger Grund war die staatli- che Unterstützung, die im Zuge der Coro- na-Pandemie nötig wurde. Das war ein un- vorhersehbares Ereignis.Deshalb hatten die Regierungen geradezu eine moralische Ver- pflichtung, einzugreifen. Die Haushaltslage wird sich aber nicht wesentlich verbessern. Warum? Die Regierungen stehen unter Druck, Ein- kommensunterschiede zu beseitigen, die Wirtschaft zu digitalisieren und CO 2 -neu- tral umzubauen, auf die Alterung der Ge- sellschaft zu reagieren sowie die Verteidi- gungsausgaben zu erhöhen. Diese Aufga- benliste ließe sich beliebig fortsetzen. Die Schulden einfach weg zu inflationieren scheint auch keine Option zu sein, wenn die Zentralbanken ihrem Ziel der Preissta- bilität verpflichtet bleiben sollen. Der dritte Weg ist, das Wachstum zu steigern. Dafür gäbe es ein gewisses Potenzial, wenn man an die Aussichten durch den Einsatz der generativen künstlichen Intelligenz denkt. Wann wird sich das materialisieren? Zumindest kurzfristig wird sich das Poten- zial der künstlichen Intelligenz noch nicht im Konjunkturwachstum niederschlagen. All das zusammen mit der Tatsache, dass die Zentralbanken keine Anleihen mehr kaufen, führt zu einem Aufwärtsdruck auf die Renditen langlaufender Staatsanleihen. Das ist die neue Realität, an die sich alle gewöhnen müssen. Und wenn die Haus- haltspläne einer Regierung die Marktteil- nehmer nicht überzeugen können, wie man beispielsweise im Vereinigten König- reich beobachten konnte, dann steigen die Renditen stark. Sehen Sie einweiteres Segment des Bond- marktes, das Potenzial birgt? Ja, den Bereich der Green Bonds. Am ver- ständlichsten ist es, sich nachhaltige Anlei- hen als das Elektroauto im Portfolio vorzu- stellen. Sie helfen Anlegern, ihre Invest- mentziele zu erreichen und zugleich ihren Fußabdruck auf die Umwelt zu minimie- ren. Der Markt erreichte in den vergange- nen Jahren zudem eine gewisse Reife. Der Renditeabschlag, der Green Bonds inne- wohnte, löst sich langsam auf. Aber natür- lich muss man bei diesen Anleihen nicht nur die Kreditwürdigkeit prüfen, sondern auch hinterfragen, ob das eingesammelte Geld tatsächlich für nachhaltige Projekte verwendet wird. Hierbei ist also aktives Research erforderlich, um potenzielles Greenwashing zu erkennen. Vielen Dank für das Gespräch. SEBASTIAN ERTINGER FP KURZ-VITA: Gurpreet Gill Gurpreet Gill ist Makrostrategin für Anleihen und Geldmärkte bei Goldman Sachs Asset Management. Sie arbeitet seit mehr als zehn Jahren bei dem Fondsableger der US-Groß- bank, die meiste Zeit im Anleihenbereich. Gill studierte Mathematik und Wirtschaft an der London School of Economics and Political Science (LSE). » Nachhaltige Anleihen sind wie das Elektroauto im Portfolio. « Gurpreet Gill, Goldman Sachs AM FOTO: © NIKOLA HAUBNER MARKT & STRATEGIE Gurpreet Gill | Goldman Sachs Asset Management 122 fondsprofessionell.de 1/2024

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