FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 1/2024

anwendbar wäre. Diese eng gefasste Vorschrift hemmt die Verbreitung von Sozialpartnermodellen stark. Ein Beispiel: Angenommen, in einer Tarifregion würde man ein SPM regional einrichten, dann könnten andere Regionen dersel- ben Branche mangels räumlicher Geltung des Tarifvertrags daran nicht teilnehmen. Lässt sich gerade die versiche- rungsförmige bAV, die zumeist eine Mindestleistung garantieren muss, überhaupt noch aktuariell dar- stellen? Als die Zinsen auf Talfahrt gingen und folglich auch der Höchstrech- nungszins, legten die Pensionsak- tuare Berechnungen vor, die zeigen, dass der Zeitpunkt kommen wird, an dem die arbeitsrechtliche Bei- tragszusage mit Mindestleistung für den Markt nicht mehr darstellbar sein würde. Bei dem seit 2022 geltenden Höchstrechnungszins von 0,25 Prozent ist das definitiv der Fall. Daher war es nur konsequent, dass solche Zusagen, die ohne die jeweiligen Überschüsse zunehmend in einen Realwertverlust münden, nicht mehr angeboten wurden.Dies wäre nur möglich gewesen, wenn man eine niedrigere Min- destleistung als 100 Prozent zugelassen hätte, aber das wollte die Bundesregierung nicht. Mit der nunmehr empfohlenen Anhebung des Höchstrechnungszinses auf 1,0 Prozent für Neuverträge ab 1. Januar 2025 dürfte das Problem bis auf Weiteres vom Tisch sein. Andererseits sind aber arbeitsrechtliche Zusagen zu beachten, die sich nicht aufwei- chen lassen, oder doch? Völlig richtig. Im Interesse des Vertrauens- schutzes der Arbeitnehmer sind Einschrän- kungen von Versorgungszusagen nur unter strengen Voraussetzungen möglich. Will ein Arbeitgeber nicht nur ein Versorgungs- werk für Neueintritte schließen, sondern konkret in bereits erteilte Zusagen eingrei- fen, so ist das ein sehr komplexer Prozess. Nicht erst die hohen Inflationsraten und die damit verbundenen enormen Anpas- sungsverpflichtungen zeigen den Unter- nehmen, dass sie vor einem Generationen- dilemma stehen. Immer größere Anteile des Aufwands für bAV fließen in Betriebs- rentenanpassungen und die Dotierung bestehender Zusagen. Immer geringere Anteile des Aufwands für bAV stehen für die Dotierung neuer Zusagen zur Verfü- gung. Bereits erteilte Zusagen sollten vor diesem Hintergrund im Interesse von mehr Generationengerechtigkeit für die Zukunft abänderbar sein. Sie wollen ernsthaft in erdiente Ansprüche eingreifen? Natürlich nicht. Es geht darum, die be- grenzten Mittel der Arbeitgeber generatio- nengerecht verteilen zu können, und nicht um Betriebsrentenkürzungen. Bereits er- diente Versorgungsanteile müssen erhalten bleiben. Für zukünftige Arbeitsjahre sollten Betriebsrenten aber chancenreicher und genera- tionengerechter gestaltet werden können, etwa mittels reiner Bei- tragszusagen. Abschließend eine Frage zum Ver- trieb: In den vergangenen Jahren haben Leistungskürzungen bei eini- gen Pensionskassen Arbeitgeber und Arbeitnehmer aufgeschreckt. Was können bAV-Berater tun, um für alle Beteiligten rechtlich saube- re Lösungen hinzubekommen? Ungewöhnlich lange hat ein massi- ves Niedrigzinsumfeld gewirkt und allen Beteiligten Regelungen ins Bewusstsein gerufen, die man bei der Entscheidung über eine bAV schnell mal überliest. Arbeitnehmer haben realisiert, dass sich noch so seriös prognostizierte, über Garan- tien hinausgehende Leistungen nicht zwin- gend realisieren lassen. Arbeitgeber mussten feststellen, dass sich die betriebsrentenrecht- liche Subsidiärhaftung realisieren kann. Be- rater haben gesehen, wie wichtig es ist, alle Beteiligten umfassend zu informieren und die zugrunde liegende arbeitsrechtliche Ver- sorgungszusage im Unternehmen zu ken- nen, ehe sie die Umsetzung über Produkte empfehlen. Spätere Änderungen sind auf- grund des Schutzgedankens des Gesetzes nur sehr eingeschränkt möglich. Vielen Dank für das Gespräch. DETLEF POHL FP KURZ-VITA: Klaus Stiefermann Der gebürtige Westfale stieg nach dem Jura-Studium 1993 bei der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberver- bände (BDA) ein und wechselte fünf Jahre später in die sozial- politische Abteilung des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft. Seit 1999 führt er die Geschäfte der Arbeitsgemeinschaft für betriebliche Altersversorgung (Aba). Ehrenamtlich ist der 59-Jährige seit 2005 Vorstand und seit 2021 stellvertretender Vorsitzender von Pensions Europe, dem europäischen bAV-Fachverband. » Die Einrichtungen der bAV doku- mentieren sich noch zu Tode. « Klaus Stiefermann, Aba FOTO: © MARTIN PETERDAMM PHOTOGRAPHY FONDS & VERSICHERUNG Klaus Stiefermann | Arbeitsgemeinschaft für betriebliche Altersversorgung (Aba) 248 fondsprofessionell.de 1/2024

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