FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 1/2024

Fitness test für Versicherer Die Zinswende hat die Solvenzquoten der Lebensversicherer in den Hintergrund treten lassen. Überflüssig geworden ist die Kenn- zahl aber nicht. Bald könnte sie wieder an Bedeutung gewinnen. L ange Jahre schauten Vermittler und Fachpresse genau auf die Solvenzquo- ten der Lebensversicherer. In Zeiten sehr niedriger Zinsen mussten Berater wissen, ob ein Versicherer bei einem Börsencrash und Verwerfungen an den Kapitalmärkten seine Verpflichtungen gegenüber den Kun- den würde erfüllen können – dafür ist die Solvenz- oder SCR-Quote (englisch: Sol- vency Capital Requirement) der Maßstab: Bei 100 Prozent und mehr wäre die Gesell- schaft dazu in der Lage. Seit der Zinswende sind die Quoten aber kaum noch ein Thema. „Das ist kein Wunder, sie sind mittlerweile zu gut, sodass die Öffentlichkeit und die Presse das Inter- esse verloren haben“, kommentiert Herbert Schneidemann, Vorstandsvorsitzender der Versicherungsgruppe Die Bayerische und Mitglied im Vorstand der Deutschen Ak- tuarvereinigung. Tatsächlich hat sich die durchschnittliche Solvenzquote von 458 Prozent im Jahr 2021 auf 601 Prozent im Jahr 2022 erhöht – wenngleich mit Über- gangsmaßnahmen. Ohne diese Hilfen wies zudem nur noch ein Versicherer eine Quo- te von unter 100 Prozent aus,wie eine Ana- lyse des Beratungshauses Zielke Research Consult für den Bund der Versicherten (BdV) zutage förderte. Auch wenn andere Aspekte bei den Ver- sicherungsgesellschaften im Vordergrund stehen, sollte man die Solvenzquoten nicht gänzlich aus den Augen verlieren. Das Zinsänderungsrisiko, der relevanteste Ein- flussfaktor für die Entwicklung der Quo- ten, ist nicht weg. Im Gegenteil: Viele Sig- nale aus den Notenbanken deuten auf ein Ende der Zinswende hin. Zudem ist die Solvabilitäts- oder Bedeckungsquote immer noch ein guter Indikator zur Einschätzung der Leistungsfähigkeit eines Versicherers. So wird gerechnet Zum besseren Verständnis muss man sich vergegenwärtigen, wie die SCR-Quo- ten nach den Vorgaben der europäischen Solvency-II-Richtlinie berechnet werden: In einem ersten Schritt ermitteln die Versiche- rer ihre Eigenmittel auf Basis einer „markt- wertbasierten Berechnung“. „Dafür müssen sie die Summe ihrer Vermögenswerte auf Grundlage der aktuellen Marktwerte be- rechnen, die in erster Linie aus den Kapital- anlagen bestehen. Im zweiten Schritt wer- den von den Vermögenswerten die zukünf- tigen Verbindlichkeiten, die versicherungs- technischen Rückstellungen, als bester Schätzwert abgezogen“, erläutert Lars Heer- mann, Bereichsleiter Analyse und Bewer- tung bei der Kölner Ratingagentur Asseku- rata. Die Differenz sind die aktuell verfüg- baren Eigenmittel des Versicherers. Diese werden dann einer Vielzahl von Stresstests unterzogen, welche Solvency II definiert und die für jedes Risiko einen „Super-GAU“ annehmen, dessen Eintritt statistisch nur einmal in 200 Jahren zu er- » Die Solvenzquote ist nur ein Indikator für die finanzielle Stabilität eines Versicherers. « Herbert Schneidemann, Bayerische Verblüffende Parallelen: Viele Menschen werden vom Arzt zum Medizin-Check mit Leistungs-EKG geschickt – Lebensversicherer müssen auf Anweisung der Finanzaufsicht zum SCR-Check. FONDS & VERSICHERUNG Solvenzquote 250 fondsprofessionell.de 1/2024 FOTO: © RH2010 | STOCK.ADOBE.COM

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